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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger
Autoren: Nina Behrmann
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von beidem in dir. Das hat auf dich selbst keine Auswirkungen, aber zumindest hätte deine Mutter dich darüber aufklären können, dass deine Wurzeln nicht aus der menschlichen Welt stammen.«
    »Wozu? Ich war so unwissend ganz glücklich. Und was meinst du mit ›nicht aus der menschlichen Welt‹?«
    »Unwissend bist du jetzt nicht mehr. Du solltest das ausnutzen«, erwiderte Feng und ignorierte meine zweite Frage einfach. Ich beschloss, ihn später noch einmal darauf anzusprechen. »Inwiefern?«, fragte ich stattdessen.
    Feng zwinkerte. »Das Gehalt als Mittler ist nicht schlecht. Du bist zwar rein menschlich, aber das wäre das, was wir für die Agentur noch brauchen. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, sind Kay und ich in menschlichen Angelegenheiten zuweilen etwas eingeschränkt. Wir würden gern jemanden an Bord haben, der zwar Verbindungen zu unserer Welt hat, sich aber im alltäglichen Leben auskennt.«
    »Ein humanoider Reiseführer?«, hakte ich nach.
    »Eher ein Counselor.«
    »Beruhigend, dass diese Modebegriffe in jeder Welt gebräuchlich sind«, sagte ich und seufzte.
    »Also?«
    Ich rieb mir über das Ohr. »Ich möchte erst wissen, wie ihr beiden euch das vorstellt? Counselor ist nichts weiter als ein schwammiger neudeutscher Terminus für jemanden, der nicht weiß, warum er bezahlt wird.«
    Feng lachte. »Wie ich schon sagte: Wir brauchen jemanden, der für sterbliche Belange da ist. Der Kunden und Besucher empfängt, ohne weiteres bestimmte Orte aufsuchen kann und bei täglichen Dingen hilft.«
    »Könnt ihr denn nicht überall dahin gehen, wohin ihr wollt?«
    Feng schüttelte den Kopf. »Es gibt für die Fey viele Begrenzungen und Gesetze. Und für uns Grenzgänger gibt es Orte und Bereiche die wir als Territorien abstecken und gegen andere Grenzgänger verteidigen. Werwölfe sind vielleicht Rudeltiere, aber der Mantikor ist ein Einzelgänger. Ein Mensch kann in der sterblichen Welt ohne Schaden das Gebiet eines Mantikors betreten. Kay oder ich könnten das nicht.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Sicher. Aber diese Situation ist für uns ebenso neu wie für dich. Es würde sich von Fall zu Fall unterscheiden, was noch an Aufgaben für dich dazukommt.«
    Ich stand auf und fuhr mir mit den gespreizten Fingern durch die Haare. Das klang absurd. Vollkommen absurd. Aber ich hatte Fengs Verwandlung gesehen. Der Drache hat vor mir gestanden und zu mir gesprochen. Er hatte den Vorhang zu einer anderen Realität einen Spaltweit geöffnet. Und jetzt bot er mir an, ihn vollkommen beiseite zu ziehen. Ich musste nur zusagen.
    »Mein Gehalt beträgt siebentausend Euro. Brutto. Inklusive Krankenversicherung und aller Informationen über dieses«, ich wedelte wieder mit der Hand, »Ding hier, die ich haben will.«
    »Sechstausend Euro«, erwiderte Feng, nicht im Mindesten überrascht.
    »Sechstausendfünfhundert.«
    »Einverstanden.« Er grinste und stand auf. »Lass uns gehen.«
    Als ich ihm hinausfolgte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich meinen Preis zu niedrig angesetzt hatte. Viel zu niedrig.
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

Kapitel 4

    Bis zum Kloster im Stadtzentrum war es nicht sehr weit. Kay hatte sich ein Taxi gerufen, auch wenn er es normalerweise vermied, Autos zu benutzen. Für längere Strecken – und von denen gab es reichlich – kam er aber nicht darum herum. Möglichst schnell bezahlte er und verließ den Mercedes.
    Als Fey hatte er eine Abneigung gegen alles Metallische. Zwar reagierte er nicht mit Schmerzen und Verbrennungen auf kaltgeschmiedetes Eisen, so wie die Unseelie, dennoch konnte er ein gewisses Unbehagen nicht leugnen, sobald er sich in so einer Metallkiste auf Rädern gefangen sah.
    Kay schüttelte das unangenehme Gefühl ab und ging auf das Haus vor ihm zu. Es unterschied sich nicht von den Nachbarhäusern. An der Außenfassade zeigten sich ehemals schöne Stuckverzierungen, die aber nun unter einer Jahrzehnte alten Patina aus Straßenschmutz kaum mehr auszumachen war. Das gesamte Gebäude war ein solider Altbau, der mit ein wenig Mühe sicherlich wieder zu altem Glanz kommen konnte.
    Die Schwestern, die dieses Haus bewohnten, kümmerten sich allerdings mehr um menschliche Belange, als um Gebäuderenovierung. Sie hatten ein Kloster eingerichtet. Kein Kloster im traditionellen Sinn. Früher hatten Frauen in diesem Gebäude gearbeitet. Meist als Prostituierte, manche auch als normale Waschfrauen. Nachdem das Viertel aufgeräumt worden waren,
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