Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grazie

Grazie

Titel: Grazie
Autoren: Chelsea Cain
Vom Netzwerk:
tauchte neben ihnen auf. Sie trug Jeans und ein
T-Shirt mit einem Bild von einer Bulldogge auf der Brust. Das kurze
Haar steckte unter einer griechischen Fischermütze. »Susan Ward ist
hier«, brummte sie. »Sie sagt, sie hat dich angerufen.«
    Archie drehte sich um und blickte mit zusammengekniffenen
Augen zur Ostseite der Brücke hinüber, wo die wachsende Schar der
Presseleute von Absperrband und einer Phalanx Motorradpolizisten in
Schach gehalten wurde.
    »Haben sie das Auto schon heraufgezogen?«, fragte Archie
Claire.
    »In Kürze«, antwortete sie. »Da unten liegt ungefähr ein
Jahrhundert Scheiße, von dem es die Taucher erst befreien müssen.«
    »Ach ja, der jungfräuliche Willamette«, sagte Sanchez.
    Es war ein Riesenzirkus. Susan hatte so
etwas noch nie gesehen, außer vielleicht beim Oregon Country Fair in
der Nähe von Eugene. Der Jahrmarkt versammelte Hippies, Feuerschlucker
und Falafel-Buden auf einer Fläche von gut einem Quadratkilometer, und
das hier war ein Gedränge von Polizei, Medien und Schaulustigen. Aber
die Leute hatten denselben aufgeregten Gesichtsausdruck. Als wären sie
an einem ganz besonderen Ort.
    Susan hatte sieben Blocks von der Brückenabfahrt Kerby Street
entfernt geparkt und war zu Fuß gegangen. Sie trug ihren Presseausweis
an einer Kordel um den Hals und hatte nach langen Diskussionen drei
verschiedene Sperren der Polizei überwunden. Es war beunruhigend, zu
Fuß auf der Brücke unterwegs zu sein. Anders als die meisten anderen
Brücken Portlands war die Fremont für Fußgänger gesperrt, außer einmal
im Jahr, wenn die Stadt ein paar Tausend Bürger mit dem Rad darüber
fahren ließ. Susan, die unvermeidlicherweise vergaß, wann dieser
Radlertag war, und sich jedes Mal in einem Verkehrsstau wiederfand,
verstand nun die Anziehungskraft der Aktion. So hoch über der Stadt zu
sein, hatte etwas Unirdisches. Und dann dachte sie an die langen
Sekunden, in denen sich der Wagen des Senators im freien Fall befunden
hatte, und sie ballte unwillkürlich die Fäuste. Parker war tot. Jetzt
musste sie etwas tun, das ihrem ganzen Reporterinstinkt zuwiderlief:
ihr Exklusivrecht gefährden.
    Sie musste Archie Sheridan sagen, was sie wusste.
    Sie hatte sich an den Fernsehteams vorbeigedrängt, die alle
Live-Aufnahmen mit der eindrucksvollen Flotte der Polizei- und
Rettungsfahrzeuge im Hintergrund haben wollten. Claire hatte Susan
entdeckt und versprochen, Archie für sie zu suchen. Aber es waren so
viele Menschen da, dass Susan sie sofort wieder aus den Augen verloren
hatte, nachdem sie in der Menge der Uniformen verschwunden war. Deshalb
wartete sie, beobachtete die Polizei und versuchte, von anderen
Reportern die eine oder andere Information aufzuschnappen. Viel hörte
sie nicht. Es war zu viel los. Und dann kam es ihr: keine Bremsspuren.
Das waren zu viele Autos, zu viele Menschen. Wenn es Brems- oder
Schleuderspuren gegeben hätte, wären sie mit Absperrband gesichert
gewesen. Sie würden sie von den Kriminaltechnikern genau untersuchen
lassen. Keine Bremsspuren. Kein Bremsen.
    Dann sah sie Archie und richtete sich auf. Er kam hinter einem
Kombi der Polizei hervor, die Hände in den Taschen seines Sportsakkos,
die Schultern in der morgendlichen Kühle eingezogen. Sein Haar war ein
dichter brauner Wust, aber als er näher kam, entdeckte Susan ein paar
graue Strähnen, die noch nicht da gewesen waren, als Susan ihn vor zwei
Monaten zuletzt gesehen hatte.
    »Es tut mir leid«, begrüßte er sie. »Ich weiß, dass Sie und
Parker sich nahestanden.«
    Susan spürte Tränen aufsteigen und drängte sie zurück. »Was
ist passiert?«, würgte sie hervor. Archie hob das Absperrband an, sie
duckte sich darunter durch und folgte ihm.
    »Es ist gegen fünf Uhr heute Morgen passiert«, erklärte
Archie. »Der Wagen fuhr sehr schnell, brach am höchsten Punkt aus und
stürzte von der Brücke.« Er zeigte auf eine Stelle, wo ein großes Stück
der Betonleitplanke fehlte; der Baustahlrahmen lag frei wie ein Knochen
bei einem komplizierten Bruch. Ein drei Meter langer Abschnitt des
Maschendrahtzauns war zerstört und hing gefährlich zur Seite. »Zwei
Autofahrer haben angehalten und die Notrufnummer gewählt. Die Rettungs-
und Bergungskräfte waren nach sieben Minuten vor Ort.« Sie hielten am
Rand der Brücke und sahen hinunter auf die Polizeibarkasse und die
Boote der Bergungsmannschaften. An der Stelle, wo das Auto versunken
war, schimmerte ein Regenbogen aus Benzin auf der Wasseroberfläche.
»Aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher