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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder
Autoren: Melissa Marr
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mussten, wohin sie zeit ihres Lebens unterwegs gewesen waren.
    Später würde sie ihm Charles’ Geschichte erzählen, aber im Moment wollte sie das alles beiseiteschieben. Sie hatte den Frieden gefunden, den sie immer gesucht hatte. An diesem Tag hatte sie es gespürt, als sie die Toten gerettet und Daisha in ihr neues Leben geleitet hatte – und sogar als sie Cissys gerechter Bestrafung beigewohnt hatte. Das war ihr Leben, und es war vorherbestimmt, dass Byron es mit ihr teilte.
    Das hatte er eigentlich schon immer getan.
    Während sie fuhren, genoss sie die Verbundenheit mit ihm, mit ihrer Stadt. Als er vor dem Haus anhielt, stieg sie vom Motorrad und nahm den Helm ab. »Ich liebe dich, weißt du.«
    »Was?« Er stand da und hielt seinen Helm fest.
    »Ich liebe dich«, wiederholte sie. »Das bedeutet keinen Heiratsantrag oder dass ich mir Kinder wünsche. Das will ich nämlich nicht, aber ich liebe dich.«
    Er legte die freie Hand um ihre Wange und streichelte ihr mit dem Daumen über die Haut. »Ich wüsste nicht, dass ich von Ehe oder Kindern gesprochen hätte.«
    »Gut.« Sie lächelte. »Ich fand, dass es Zeit war, das mit der Liebe zuzugeben. Ich bin mir allerdings nicht sicher …«
    Er küsste sie zärtlich. »Ich weiß wirklich nicht, ob ich je bereit für Kinder sein werde. Das … was wir sind … ich möchte nicht …«
    »Ich weiß.« Sie dachte an den Brief, den Maylene ihr geschrieben hatte, an Cissys Neid und Ellas Tod. »Ich auch nicht.«
    Sie nahm seine Hand, und sie gingen ins Haus. Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf und schalteten das Licht aus.
    Rebekkah erwachte bei Sonnenaufgang und machte sich zum ersten Friedhof auf ihrer Liste auf. Dort kniete sie vor dem Grabstein nieder und pflanzte einen gelb blühenden kleinen Rosenbusch. Dann wischte sie sich die Erde von den Händen und zog ein Fläschchen aus ihrer Tasche hervor.
    »Ich bin hier, Maylene«, flüsterte sie. Sie strich über den oberen Rand des Grabsteins. »Weißt du noch, wie wir zusammen unseren ersten Garten angelegt haben? Erbsen, Zwiebeln und Rhabarber.« Sie hielt inne, ganz erfüllt von der schönen Erinnerung. »Du, ich und Ella … Sie fehlt mir immer noch. Und Jimmy und du …«
    Rebekkah rannen Tränen über die Wangen. Nichts konnte den Schmerz in ihrem Innern auslöschen, aber sie fand Trost in dem Wissen, dass Maylene in ein anderes Leben in einer anderen Welt gegangen war, wo sie mit ihren Familienmitgliedern zusammen sein konnte.
    Rebekkah machte den Rest ihrer Friedhofsrunde und blieb immer wieder stehen, um Schmutz von Grabsteinen zu fegen, ein wenig Schnaps auf den Boden zu gießen und ihre Worte zu sprechen. Dies war nur der erste Friedhof auf ihrem Tagesplan, und keiner seiner Bewohner, die auf ihrer Liste standen, kam zu kurz.
    Rebekkah blickte gerade zum heller werdenden Himmel auf und steckte ihr Fläschchen in die Umhängetasche, als sie ihn entdeckte. Seine Jeans waren verwaschen und ausgefranst. Der Rucksack, den er über die Schulter geworfen hatte, sah aus, als hätte er schon bessere Zeiten erlebt. An den Bartstoppeln erkannte sie, dass er es eilig gehabt hatte.
    »Du bist früh auf«, meinte sie, als er sie erreichte.
    Byron küsste sie. »Guten Morgen«, sagte er.
    »Hi.« Sie schlang die Arme um ihn und genoss einen Moment lang das Gefühl, festgehalten zu werden. »Ich wollte schon einmal mit der Arbeit anfangen, damit wir später vielleicht ausgehen können oder … ich meine, ich dachte …«
    Er grinste. »Du wolltest dir also den Abend für mich freihalten?«
    »Ja.« Sie stieß ihm einen Finger gegen die Brust. »Glaub ja nicht, dass ein paar Fahrten auf dem Motorrad oder Ausflüge zu exotischen Orten mit toten Menschen als Verabredungen zählen. Ich will auch das Übliche. Kochen …«
    »Ich wollte Frühstück machen, aber du warst verschwunden.« Mit keinem Wort erwähnte er seine Panik, als er festgestellt hatte, dass sie fort war. Aber die beiden hatten diese Situation schon so oft durchgemacht, dass sie Bescheid wusste.
    »Ich habe einen Zettel auf den Tisch gelegt«, erklärte sie.
    Er wirkte verlegen. »Klar. Ich weiß …«
    »Du hast ihn nicht gefunden.«
    »Ich habe ein paar Sachen geschnappt und bin dich suchen gegangen und …« Er verstummte und nahm ihre Hände. »Du läufst sonst auch immer davon.«
    »Jetzt nicht mehr«, beteuerte sie.
    »Bist du dir da sicher?«
    »Ja«, gestand sie. »Ich liebe dich, und du scheinst verrückt genug zu sein, um meine Gefühle
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