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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder
Autoren: Melissa Marr
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mit Charles reden«, unterbrach Rebekkah ihn. »Er ist mir noch einige Erklärungen schuldig.«
    »Nun gut.« Charles hakte Rebekkah unter. Mit dem Stock wies er auf ein kleines Holzgebäude in wenigen Schritten Entfernung. »Wir sind dann im Café.«
    Byron suchte Charles’ Blick. »Sorgen Sie dafür, dass man dieses Mal nicht auf sie schießt!«
    Charles hielt dem Blick stand. »Die betreffenden Herren haben eingesehen, dass sie einen Fehler begangen haben.«
    Byron sah Rebekkah an, und als sie nickte, ging er mit Daisha davon – und wahrscheinlich auch mit Alicia.
    Rebekkah folgte Charles über einen mit Brettern ausgelegten Fußweg, der an eine Wildweststadt erinnerte und auf dem ihre Schritte hallten. »Keine Schwingtüren?«
    Er hob die Brauen. »Das wäre ein wenig übertrieben, oder?«
    Unwillkürlich lachte sie. »Sie haben aber auch auf alles eine Antwort, wie?«
    Ohne etwas zu erwidern, öffnete Charles die grob gezimmerte Tür und blieb daneben stehen, um ihr den Vortritt zu lassen. Der Gastraum war menschenleer. Aufs Geratewohl verteilt standen überall einfache Tische. Am anderen Ende befand sich eine kleine Bühne mit einem Klavier und einer Bank davor. Dicke, aber abgewetzte tiefblaue Samtvorhänge rahmten die Bühne ein.
    An einem Tisch mit einem silbernen Teeservice, das so gar nicht hierher passen wollte, zog Charles einen Stuhl heran. Neben dem Geschirr stand ein Tablett mit Sandwiches und Kuchenstücken. Rechts und links auf dem Tisch lagen zusammengefaltete Leinenservietten. Tee und Gebäck bildeten einen auffallenden Kontrast zu der Umgebung und sahen vollkommen real aus.
    Und sind genau das, was ich brauche, dachte Rebekkah.
    Unerwartet, aber unbestreitbar wirkte es beruhigend auf sie, sich in dem halbdunklen Gebäude verstecken zu können. Weniger unerwartet war ihr Drang, in Tränen auszubrechen. Sie hätte nicht sagen können, ob Erschöpfung, Trauer oder Erleichterung der Grund waren, doch sie konnte sich einfach nicht dagegen wehren.
    Charles schenkte Tee ein und enthielt sich jeder Bemerkung über die Tränen, die ihr über die Wangen rannen. »Sie haben nach Namen gefragt. Wenn mein Name genannt wird, ist er bald wieder vergessen. Das Wort hält sich im Verstand von Sterblichen nicht lange.« Er lehnte sich zurück und sah sie an. »Weder mein Name noch der dieses Orts. Ihn kennenzulernen, mich kennenzulernen, ist unvermeidlich. Jeder tanzt einmal mit Mister D , aber manche Sterblichen sind – so wie Sie – schon halb verliebt in den Tod. Das liegt an Ihrer Aufgabe, und ich habe nicht vor, es Ihnen noch schwerer zu machen, indem ich Ihnen erzähle, was Sie nicht zu wissen brauchen. Fragen Sie mich noch einmal, wenn Sie gestorben sind. Dann verrate ich Ihnen alles, alles Mögliche oder vielleicht auch nichts.«
    Sie überlegte, ob sie abstreiten sollte, dass sie in den Tod verliebt war, und entschied sich dagegen. »Also werde ich Ihren wahren Namen nie erfahren«, sagte sie daher nur.
    »Ich lasse mich gern Charles nennen.« Er nahm ihre Hand.
    Sie zog sie nicht weg. »Wie viel von dem ganzen Drum und Dran haben Sie gewusst? Was war mit Daisha? Cissy? Dem Mord an Maylene? Was hat Alicia damit zu tun?«
    »Ich weiß es, wenn die Toten sich aus meinem Reich entfernen und wenn sie dort sind. Daher wusste ich von Daishas Tod und ihrem Erwachen.«
    »Aber Cissy …«
    »War nicht tot. Ihre Handlungen sind mir verborgen geblieben.« Er drehte ihre Hand um und betrachtete die Innenfläche, als könne er dort Geheimnisse lesen. »Ich wusste vor Ihnen von Maylenes Tod, aber das lag nur daran, dass ich von Todesfällen erfahre. Doch aufhalten kann ich sie nicht. Ich habe sie geliebt, so wie ich Sie liebe und Alicia und die anderen geliebt habe, die Graveminder waren. Sie gehören mir.« Seine Stimme klang sanft, aber sein glühender Blick verunsicherte sie. »Sie sorgen für meine Kinder. Sie kümmern sich um sie und bringen sie nach Hause, wo sie sicher sind.«
    »Ihre Kinder fressen Menschen.« Rebekkah erschauerte. Hier, zusammen mit ihm, ließ ihre Zuneigung zu den Toten nach. Hier empfand sie Entsetzen über die grausamen Taten.
    »Nur wenn sie nicht behütet werden«, wandte er ein. »Sie haben sie hierher zurückgebracht. Daisha hätte ebenso gut die Stadt verlassen können. Stark genug war sie dazu, aber Sie haben sie aufgehalten.«
    »Sie tun so, als sei ich so etwas wie eine Adoptivmutter für jeden einzelnen Toten, eine Ersatzmama für sie alle.« Rebekkah erhob sich und
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