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Grave Mercy Die Novizin des Todes

Grave Mercy Die Novizin des Todes

Titel: Grave Mercy Die Novizin des Todes
Autoren: LaFevers Robin L
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tritt er beiseite. »Komm schnell wieder herunter zu Hervé, wenn du fertig bist, hm?«, flüstert er mir ins Ohr. Seine große, gierige Hand gleitet hinunter, und er schlägt mir aufs Hinterteil, und Prüfung hin, Prüfung her, ich muss mich sehr beherrschen, um ihm nicht an Ort und Stelle die Augen auszukratzen. Mit gesenktem Blick, damit mein Zorn mich nicht verrät, nicke ich, dann eile ich schnell weiter, während er zu seiner Bank zurückkehrt.
    Oben an der Treppe müht sich eine Dienstmagd mit einem schweren Tablett ab. Als ich den Treppenabsatz erreiche, hält sie vor einer Tür inne. Der ersten Tür rechts.
    Jean Runnions Tür.
    Benutze die Werkzeuge und Gelegenheiten, die Mortain dir anbietet. Es ist eine der ersten Lektionen, die wir im Kloster lernen. »Ist das für Monsieur Runnion?«, rufe ich.
    Erschrocken dreht die Magd den Kopf. »Ja. Er hat darum gebeten, ihm sein Abendessen aufs Zimmer zu bringen.«
    Kein Wunder. Er hat guten Grund, sich zu verstecken. Bretonen haben ein langes Gedächtnis, wenn es um Verräter geht, und wir verzeihen nicht leicht. Ich eile auf die Frau zu. »Ich werde ihm das Tablett bringen«, erbiete ich mich. »Er ist heute Abend in übelster Laune.«
    Die Dienstmagd ist argwöhnisch und sieht mich stirnrunzelnd an. »Woher weißt du das?«
    Ich bedenke sie mit einem kalten Lächeln. »Weil sein Knecht mich gewarnt hat, als er gekommen ist, um mich für den Abend zu holen.«
    Ein verächtlicher Ausdruck erscheint auf ihrem Gesicht. Ich bin hin und her gerissen zwischen Stolz darauf, dass sie meine Darbietung glaubwürdig findet, und Verärgerung, dass sie mich für eine Dirne hält. Was genauso ist, wie Schwester Beatriz es gesagt hat: Die Menschen hören und sehen, was sie zu hören und zu sehen erwarten. Aber nur weil wir darin ausgebildet wurden, dies zu unserem Vorteil zu nutzen, bedeutet das nicht, dass es mir gefällt.
    Die Magd drückt mir das Tablett in die Hände, und ich muss schnell zufassen, damit es nicht zu Boden fällt.
    Mit raschelnden Röcken läuft sie die Treppe hinunter und lässt mich allein, nur mit einer dicken Eichentür zwischen mir und meinem ersten Auftrag.
    Drei Jahre voller Lektionen ballen sich in meinem Kopf zusammen, bedrängen mich wie ein aufgescheuchter Taubenschwarm. Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass es keinen Grund zur Furcht gibt. Ich habe das Gift eigenhändig gemischt. Es enthält ein langsam wirkendes Toxin, eigens ausgewählt, damit ich weit fort sein werde, bevor der Verräter stirbt, was mir genug Zeit gibt zu fliehen, sollte irgendetwas schiefgehen. Für alle anderen wird es zunächst lediglich so aussehen, als läge er in einem tiefen, weinseligen Schlaf.
    Aber es wird nichts schiefgehen, sage ich mir. Ich verlagere das Gewicht des Tabletts und klopfe an die Tür. »Euer Abendessen, Monsieur.«
    »Entrez«, erklingt die gedämpfte Stimme.
    Ich öffne die Tür, dann balanciere ich wieder das Tablett aus, damit ich die Tür fest hinter mir schließen kann. Runnion schaut nicht einmal auf. Er lümmelt sich in einem Sessel vor dem Feuer und trinkt aus einem Becher Wein. Ein Krug steht neben ihm auf dem Boden. »Stell es einfach auf den Tisch«, befiehlt er.
    Die Jahre waren nicht freundlich zu ihm. Sein Gesicht ist tief gefurcht, sein Haar schlaff und grau. Ja, er sieht beinahe krank aus, als hätte das schlechte Gewissen seine Seele aufgezehrt.
    Wenn es so ist, bin ich gewiss im Begriff, ihm einen Gefallen zu tun. Ich stelle das Tablett ab. »Möchten Monsieur, dass ich seinen Becher auffülle, bevor ich gehe?«, frage ich.
    »Ja. Dann verschwinde«, weist er mich an. Seine Geringschätzigkeit macht mich noch glücklicher darüber, dass er nach der heutigen Nacht niemanden sonst mehr wird herumkommandieren können.
    Als ich zu seinem Stuhl gehe, hebe ich eine Hand an mein fein gewebtes Haarnetz und ziehe eine der Perlen daraus hervor. Ich beuge mich vor, um nach dem Weinkrug zu greifen, und halte inne, um mir sein Gesicht anzusehen. Um seine Lippen ist ein großer, dunkler Rand, als habe Mortain Seinen Daumen in die Schwärze der Seele des Mannes gedrückt und damit um seinen Mund gestrichen, um zu sagen: Hier, das ist die Art, wie er sterben wird.
    Solchermaßen beruhigt gebe ich die Perle in den Wein, lasse den Krug zweimal kreisen, greife dann nach Runnions Becher und fülle ihn.
    Ich reiche ihn ihm, und er nimmt einen Schluck, dann noch einen. Unter meinem Blick schaut Runnion von seinem Becher auf und sieht mich finster an. »Wo
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