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Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Titel: Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Autoren: Manfred Bomm
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kleinen Lebensfreude festhalten und nie wieder
verlieren. Immer, wenn sie von den Schönheiten und Wundern der Natur
überwältigt wurde, verspürte sie eine innere Dankbarkeit dafür, dies alles
genießen zu dürfen und selbst Teil dieser Schöpfung zu sein. Jede Sekunde
wollte sie deshalb tief in sich aufsaugen wie ein Geschenk. Für Mario war das
vorbei. Für ihn hatte die Zeit aufgehört zu existieren. Sie war stehen
geblieben. Denn wo es keinen Raum mehr gab, gab es auch keine Zeit. Beides hing
voneinander ab, hatte Einstein gesagt.
    Und
doch, davon war Karin überzeugt, war dies kein Ende gewesen, sondern der
Übergang in eine andere Dimension, in einen anderen Raum – dorthin, wo sich alle Geheimnisse der Schöpfung offenbarten. In den nächsten
Tagen würden sie darüber wieder stundenlang diskutieren, über selbst Erlebtes
berichten und eigene Theorien entwickeln. Und sie würde wieder jenes Gebetbuch
erwähnen, das ihr, die sie bis dahin dem christlichen Glauben eher
ferngestanden war, in den Tagen nach der Flugzeugkatastrophe so unfassbar
erschienen war. Genauso wie das, was sie in den Unterlagen Marios gefunden
hatte. Aber das brauchten die anderen nicht zu wissen.
    Sie hatte damals unter dem Eindruck des schrecklichen
Geschehens gar nicht alles, was auf sie hereingestürzt war, verarbeiten können.
Noch am Wochenende war sie gemeinsam mit Larissa, ihrer inzwischen in Österreich
verheirateten Tochter, sowie mit Marios Schwester und den Angehörigen anderer
Opfer nach Halifax geflogen worden, um unter psychologischer Betreuung von den
geborgenen und inzwischen identifizierten Toten Abschied nehmen zu können. Wie
in Trance, so erschien es ihr heute, hatten sie Gottesdienste und die Gespräche
mit den Chefs der Rettungskräfte und den bestürzten Repräsentanten der
Fluggesellschaft über sich ergehen lassen. Rückblickend war es ihr, als sei sie
Statist in einem Horrorfilm gewesen. Sie war noch immer dankbar, dass Larissa
sie auf dieser schmerzhaften Reise begleitet hatte. Auch Marios Schwester hatte
sich rührend um sie gekümmert.
    Doch da
waren auch Wut und Trauer, die sich in diesen Tagen vermischt hatten. Selbst
jetzt, mit dem Abstand dieser vielen Jahre, verspürte sie noch immer Zorn,
obwohl es keinen Verantwortlichen für den Absturz gab. Dass ein terroristischer
Anschlag als ausgeschlossen galt, mochte zwar den Flugsicherheitsbehörden ein
gewisser Trost sein. Aber warum hatten die Flugzeugkonstrukteure derart
versagt, dass offenbar eine simple Zuleitung für die Videounterhaltung an Bord
zu einem Schwelbrand mit verheerenden Auswirkungen führen konnte?
    Als
Karin Waghäusl nach vier Tagen, gezeichnet von tiefstem Leid, wieder daheim in
der leeren und kalten Wohnung angekommen war, wo jedes Bild und jedes Buch sie
an Mario erinnerte, hatte sie in den zurückliegenden Ausgaben des Züricher
›Tages-Anzeigers‹ geblättert, ohne die vielen Berichte über die Tragödie zu
lesen. Nur oberflächlich nahm sie zur Kenntnis, dass bereits darüber spekuliert
wurde, weshalb die Maschine nach dem ersten Notruf noch so viele Umwege
geflogen war, und weshalb der Kapitän nicht sofort das nahe Halifax als
Notlandeort genannt und stattdessen das weit entfernte Boston hatte ansteuern
wollen.
    Mochte
die Technik noch so perfekt sein, es gab bei allem, was der Mensch erfunden
hatte, einen gewichtigen Unsicherheitsfaktor: den Menschen selbst. Karin sah in
diesem Moment die Bilder aus jüngster Vergangenheit vor sich, als im Januar an
Italiens Westküste ein supermodernes Kreuzfahrtschiff auf Grund gelaufen war.
An einem Freitag, dem 13. Gerade erst hatte sie gelesen, dass bei der Taufe des
Schiffs die obligate Sektflasche nicht zerschellt war, was als ein Zeichen des
Unglücks gilt.
    Doch es
deutete ja alles darauf hin, dass der Kapitän die Katastrophe durch bodenlosen
Leichtsinn verursacht hatte. Hundert Jahre nach dem Untergang der Titanic, dem
damals größten Schiff aller Zeiten. Auch eine Botschaft des Himmels? Und noch
eine Merkwürdigkeit: Zu den Überlebenden der jüngsten Katastrophe im Mittelmeer
gehörten zwei Italienerinnen, deren Großonkel beim Untergang der Titanic ums
Leben gekommen war. Eine einzige Familie wird innerhalb von hundert Jahren
gleich zweimal in eine Schiffskatastrophe verwickelt. Gab es sie also – solche
Zeichen, von denen Mario immer gesprochen hatte, wenn sie sich allein über Gott
und die Welt unterhielten?
    Damals,
als sie nach ihrer Rückkehr von Halifax in den Zeitungen
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