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Grappa und die Toten vom See

Grappa und die Toten vom See

Titel: Grappa und die Toten vom See
Autoren: G Wollenhaupt
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versorgte ich mich mit den Straßenkarten der Gegend.
    Erntedankfest am Lago Maggiore
    Das Hotel Milan du Lac thronte nah am See, nur durch die Hauptstraße und einen Parkplatz vom Wasser getrennt. Es handelte sich um einen großen Kasten mit über dreihundert Betten auf mehreren Etagen. Von Stegen am Ufer hinter dem Parkplatz fuhren Ausflugsboote zur Isola Bella und zu weiteren kleinen Inseln. Touristenbusse spuckten ihre Fracht auf dem Parkplatz aus. Rollatoren wurden aufgeklappt und Gehstöcke hervorgezerrt. Wayne und ich senkten das Durchschnittsalter signifikant.
    An der Rezeption fragten wir nach unseren Einzelzimmern. Sie lagen in der dritten Etage. Leider ohne Ausblick auf See oder Berge. Stattdessen wiesen die Fenster in einen engen, schmutzigen Innenhof mit verrosteter Feuerleiter. Egal, wir waren ja schließlich zum Arbeiten hier.
    Ich machte mich frisch, griff zum Handy und wählte. Kleist meldete sich sofort.
    »Hier ist Maria. Rate mal, wo ich bin?«
    »Du, ich habe gerade gar keine Zeit.«
    »Warst du schon am Tatort? Gibt es Spuren, die auf einen Täter hinweisen?«
    »Ich kann jetzt wirklich nicht mit dir sprechen.«
    »Ich bin am Lago Maggiore.«
    »Wie bitte?« Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit.
    »Du hast schon richtig verstanden«, erklärte ich. »Ich arbeite an einer Reportage über die Morde in Pisano. Pöppelbaum logiert im Zimmer nebenan. Kannst du uns helfen?«
    Der Hauptkommissar seufzte tief. Das war ein gutes Zeichen, denn sein Seufzen erfolgte meist unmittelbar vor der Kapitulation.
    »Wo seid ihr untergekommen?«
    Ich sagte es ihm.
    »In einer Stunde bin ich bei euch. Vielleicht ist es umgekehrt und ihr könnt mir helfen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Abwarten.« Er beendete das Gespräch.
    Das ist doch ein guter Einstieg, dachte ich zufrieden.
    Wayne wartete im Foyer. Er hatte seine kleine Kamera in der Hand und knipste die Anwesenden unauffällig und aufs Geratewohl.
    »In einer Stunde ist Kleist da.«
    »Echt? Der frisst dir ja regelrecht aus der Hand!«, rief er aus.
    »Das täuscht«, entgegnete ich. »Er deutete an, dass er unsere Hilfe braucht. Hast du dein Tablet dabei?«
    »Klar.« Er zog es aus der Fototasche.
    »Danke, ich muss mich mal aktualisieren.«
    Das Web verriet mir, dass es noch keine neue offizielle Stellungnahme zu den Morden in Pisano gab. Allerdings ergingen sich die Boulevardblätter und Privatsender in originellen Spekulationen. Hatte Steuerberater Mahler Geld seiner Mandanten veruntreut? Waren die Mandanten Mafiabosse, die sich gerächt hatten? War Mahler in den Ankauf von Steuer-CDs aus der Schweiz verwickelt? Oder war gar nicht Mahler, sondern der junge Israeli das Ziel der Mörder gewesen? Al Kaida oder Hamas?
    Ich war gespannt, was Kleist uns zu erzählen hatte.
    Ich gab Wayne sein Tablet zurück und ging zum Tresen, hinter dem zwei Empfangsdamen residierten. Ich suchte mir die mit der schöneren Frisur aus, sie erinnerte an ein Erntedankgesteck der letzten Saison.
    »Do you speak German?«, fragte ich in geschliffenem Englisch.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?« Die andere Dame erstickte meinen Versuch, polyglott zu scheinen, im Keim.
    »Ich suche meine Freunde. Familie Mahler. Vier Personen. Wir wollten uns hier in diesem Hotel treffen, aber ich kann sie auf dem Handy nicht erreichen.«
    »Mahler?« Die Mädels schauten sich vielsagend an und tuschelten auf Italienisch. Ich verstand nur die Worte polizia und assassino.
    »Sie müssen die Polizei fragen.«
    »Polizei?«, fragte ich, die Verwirrte spielend.
    »Ja, die Polizei. Die Familie ist nicht mehr in Stresa.«
    »Sind sie schon abgereist? Und was hat die Polizei damit zu tun?«
    »Das müssen Sie die Polizei fragen.«
    Ich kehrte zu Pöppelbaum zurück. »Die netten Damen sagen nichts«, berichtete ich.
    »Das war nicht zu überhören«, meinte er. »Guck mal!« Er reichte mir seine Kamera. »Dieser Herr hier hat sich sehr dafür interessiert, was du zu fragen hattest.«
    Im Display erschien ein älterer Mann mit weißem, halblangem Haar, zerfurchtem Gesicht, kantigem Kinn und Sonnenbrille.
    »Wer ist das?«
    »Ein Hotelgast – vermute ich. Er blieb stehen und bekam große Ohren, als du den Namen Mahler nanntest.«
    »Hm. Vielleicht ist er ein Bulle, der hier im Hotel nach Hinweisen sucht.«
    »Oder er ist der Mörder!«
    »Bestimmt!«, lachte ich. »Wir sind gerade mal drei Stunden in Italien und der Mörder läuft uns gleich über den Weg. Und wir haben sogar sein Foto.«
    »Er sieht jedenfalls
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