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Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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sprach er, aber ich ließ die Worte an mir vorbeirauschen, ohne auf den Inhalt zu achten. Schnack hatte eine einschläfernde Stimme.
    »Ach, du Schreck«, flüsterte Harras.
    »Was?«
    Jetzt hörte ich hin. Schnack erwähnte seine beruflichen Stationen. Pressestelle eines Krankenhausträgers, Chefredaktion einer christlich orientierten Wochenzeitung, Fraktionssprecher im Landtag.
    »Ich freue mich auf die neue Aufgabe«, behauptete er. »Und darauf, das Bierstädter Tageblatt wieder zu einer familienfreundlichen und bürgerlichen Zeitung zu machen, die man auch auf dem Tisch liegen lassen kann, wenn Kinder im Haus sind.«
    Jansen bekam einen leeren Blick. Das war herbe Kritik an ihm. Schließlich hatte er in den letzten zwanzig Jahren die Tendenz der Zeitung geprägt.
    »Also lieber eine Blaulichtgeschichte weniger und einen Bericht über eine Eltern-Kind-Freizeit mehr«, erläuterte Schnack. »Der Geschmack hat sich in den letzten Jahren geändert. Weg von Krawall und Stress, hin zu einer neuen Innerlichkeit und Gemütlichkeit. Die Menschen sollen sich beim Lesen unserer Zeitung aufgehoben fühlen. Sehnsucht Familie – als neues Stichwort. Das Tageblatt muss seinen Weg zur Heimatzeitung neu definieren. Auch die örtliche Kultur könnte etwas mehr Aufmerksamkeit vertragen. Wir haben schließlich einen Bildungsauftrag.«
    Margarete Wurbel-Simonis nickte unmerklich und warf mir einen triumphierenden Blick zu.
    Freu dich nicht zu früh, dachte ich grimmig.
    Schnack philosophierte über die Leser-Blatt-Bindung, neue Serien, die seiner Meinung nach noch nie geschrieben worden waren, die Straffung der Redaktionslogistik und Nachwuchsförderung. Die Sätze rauschten erneut an mir vorbei. Ich dachte nur eins: Die Ära Jansen ist zu Ende.

Kann man Idiot tanzen?
    Wayne Pöppelbaum saß allein im Großraumbüro. Er hatte bei Schnacks Ankündigung, die Polizeiberichterstattung herunterfahren zu wollen, den Konferenzraum verlassen. Den Polizeifunk abhören und bei allen Notlagen möglichst vor dem Eintreffen der Streifen- und Rettungswagen vor Ort zu fotografieren, das war sein Job. Darum nannten wir ihn unseren »Bluthund«.
    »Das sieht nicht gut aus für uns, Grappa-Baby«, murmelte er, als ich zu ihm trat.
    »Ach was«, log ich. »Wir finden andere Themen, die dir Spaß machen und über die wir berichten können.«
    »Genau.« Er lachte spöttisch. »Spannende Jubilarehrungen, aufregende Parteitage und schmutzige Erotikfeste im Seniorenzentrum.«
    »Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird«, sagte ich halbherzig. »Was will er denn machen, wenn im Rathaus Kokspartys gefeiert werden? Oder wenn auf der A 2 ein Lkw aufs Stauende auffährt und zehn Autos ineinanderschiebt? Die unschönen Dinge einfach verschweigen?«
    »Ganz klein fahren«, entgegnete Pöppelbaum. »Statt sechzig nur zehn Zeilen. Und keine Fotos mehr.«
    »Abwarten. Jansen gibt heute Abend übrigens einen Umtrunk zu seinem Abschied«, wechselte ich das Thema. »Sehen wir uns?«
    Pöppelbaum nickte. »Ich muss los. Zahnarzt. Halt die Ohren steif, Grappa.« Er trollte sich.
    Im Lokalradio brachten sie einen Bericht über Ausdruckstanz. Gutes Radiothema. Eine beseelte Reporterin erklärte, wie man den eigenen Namen tanzt. Kann man auch Idiot tanzen?, fragte ich mich und dachte an den neuen Chef.Das hätte ich gern gelernt.
    Ich trat zum Fenster.
    Die Straße glänzte vor Nässe. Menschen hasteten vorbei, verborgen unter Regenschirmen. Die Anhänger der Sekte, zwei Männer und eine junge Frau, harrten aus. Sie hatten unter einem Vordach Schutz gesucht.
    Ein Mann mit hochgeschlagenem Kragen und Hut näherte sich der Frau und sprach sie an. Sie wandte sich ab und wich einen Schritt zurück. Der Mann folgte ihr, griff ihren Arm. Sie riss sich los.
    Flugblätter glitten zu Boden. Die beiden anderen Männer wurden aufmerksam, doch bevor sie sich einmischen konnten, flüchtete der Angreifer und verschwand zwischen zwei Häusern.
    Die drei Erleuchteten sammelten die Papiere von der regennassen Straße auf. Plötzlich näherte sich ein dunkles Auto. Bremsen quietschten, der Wagen stoppte.
    Der Mann mit dem Hut sprang heraus und stürzte sich auf die Frau. Er packte sie, öffnete die hintere Tür und drückte die Frau ins Wageninnere. Dann sprang er wieder zur Beifahrerseite und stieg ein. Mit aufheulendem Motor raste der Wagen davon.

Acht Dynamiken und ein lauer Wind
    Eine Entführung am helllichten Tag. Das war ein Ding!
    »Konnten Sie sich das Kennzeichen
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