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Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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und Bildungsauftrag gefaselt hat«, versuchte Pöppelbaum, mich zu interpretieren. »Sehnsucht Familie – so nennt er das. Das passt nicht zu den heißen Geschichten, die sie bisher geschrieben hat.«
    »Warte doch erst mal ab, Grappa«, sagte Jansen. »Der Schnack hat eine Chance verdient, oder? So fair bist du doch hoffentlich?«
    »Ja, klar«, meinte ich lustlos.
    »Eine Möglichkeit bleibt«, Jansen legte seinen Arm um meine Schultern. »Wenn’s gar nicht geht, kannst du in der Pressestelle der Stadt anfangen.«
    »Nee, bitte nicht!«, entfuhr es mir. »Alles – nur keine Pressestelle. Dann reiße ich lieber alten Frauen die Handtasche weg.«
    »Das war doch mal ’ne echte Grappa-Ansage«, grinste Harras. »Hart aber herzlich. Und was trinken wir jetzt?«
     
    Der Abend endete feuchtfröhlich. Ich nahm ein Taxi nach Hause. Als ich ausstieg, wunderte ich mich nur kurz, dass im Haus Licht brannte. Ich hatte ihm neulich einen Schlüssel gegeben. Und nun benutzte er ihn zum ersten Mal. Ich lächelte.

Nur keine Pressestelle
    »Sag mal, neigst du zum Schlafwandeln?«, fragte Friedemann Kleist beim Frühstück.
    »Nicht dass ich wüsste«, entgegnete ich und schnitt den Pavé d’Affinois an.
    »Du wolltest aufstehen und deinen Namen tanzen«, grinste er.
    »Bitte?« Ich ließ die Kaffeetasse sinken. »Ich habe noch nie meinen Namen getanzt! Ich weiß gar nicht, wie das geht. Hab ich denn Maria oder Grappa getanzt?«
    »Weder noch. Ich konnte es grad noch verhindern. Ich hab dich nicht aus dem Bett gelassen.« Seelenruhig mümmelte Bierstadts Chefermittler sein Brötchen.
    »Du hast mich festgehalten? Ich kann mich an nichts erinnern«, meinte ich verwirrt. »Und warum wollte ich meinen Namen tanzen?«
    »Das hab ich dich auch gefragt.«
    »So ein Blödsinn.«
    »Mir klang es halb reflektiert.«
    »Und? Nun lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.«
    »Dein neuer Chef habe dir befohlen, deinen Namen zu tanzen. Das bekam ich zur Antwort. Dieser Mann scheint dir auf der Seele zu liegen.«
    »Ich hab gleich ein Gespräch mit ihm«, erklärte ich. »Er hat Änderungen angekündigt. Das hatte ich wohl alles im Kopf heute Nacht. Er will das Tageblatt zu einer bräsigen Familienzeitung machen.«
    »Das heißt?«
    »Weniger Polizeireportagen«, antwortete ich. »Mehr regionale Kultur, Brauchtum, Heimatgefühl.«
    »Und das gefällt dir nicht«, nickte Kleist.
    »So ist es. Es kann sein, dass er mein Ressort wegrationalisiert.«
    Mein Lebensabschnittspartner fixierte mich. »Das wäre schlimm«, sagte er dann.
    »Wird schon nicht so arg werden«, versuchte ich selbst, mir Mut zuzureden. »Gemordet wird immer, betrogen, gelogen und bestochen auch. Das kann keine Zeitung den Lesern vorenthalten. Dass ich das dann schreibe, dafür sorge ich schon.«
    »Genau.« Kleist erhob sich und räumte das Geschirr in die Maschine. »Und wenn es ganz schlimm kommt, dann komm zu uns in die Polizeipressestelle. Ein Kollege geht bald in Pension.«
    »Herzlichen Dank!«, schnaubte ich. »Warum will mich plötzlich jeder in eine langweilige Pressestelle abschieben? Wenn du so weitermachst, tanze ich gleich deinen Namen. Ich glaube nicht, dass du das sehen willst. Immerhin hat Friedemann zehn Buchstaben.«
     
    Schnack hatte Jansens Möbel entsorgt und sich neu eingerichtet. Alles sah sehr edel aus. Mahagonischränke bis unter die Decke, ein futuristischer Schreibtisch, die Promotionsurkunde im Goldrahmen an der Wand, daneben Pokale. Ich tippte auf Golf. Vervollständigt wurde das Ambiente durch eine kleine Galerie von Daumier-Repliken.
    »Setzen Sie sich bitte, Frau Grappa.« Schnack deutete auf den Freischwinger vor dem Schreibtisch. Ich schätzte die Distanz zwischen uns auf einen Meter fünfzig.
    »Kaffee?«
    Ich nickte. Das Gebräu aus der metallicschwarzen Thermoskanne schmeckte abgestanden.
    »Ich möchte einiges ändern«, begann er. »Ich habe es ja gestern bereits angedeutet. Das Tageblatt ist thematisch in die Jahre gekommen – und mit ihm die Mitarbeiter, die die Inhalte geprägt haben.«
    »Dazu gehöre auch ich«, stimmte ich zu. »Was wollen Sie dagegen tun? Alle über fünfzig erschießen?«
    »Aber, aber, Frau Grappa!« Schnack hüstelte. »Man hat mir ja schon einiges über Ihren … so ganz eigenen, rustikalen Humor erzählt. Lassen Sie uns reden – wie vernünftige Menschen es zu tun pflegen.«
    »Einverstanden!« Ich schenkte ihm mein süßestes Lächeln. »Wie alt sind Sie eigentlich? Mitte fünfzig? Oder
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