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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Kind hat mich zu der Toten geführt.«
    »Ein Kind?«
    »Ein Junge. Aber später war er weg.«
    »Wir sollten uns mal ausführlich unterhalten, Frau Grappa«, schlug Maxi Singer vor. »Ich hab sowieso eine Pause verdient. Wir stehen seit drei Stunden hier und quatschen die Leute an.«
    Pöppelbaum schoss Fotos von dem Polizisten beim Verteilen der Flugblätter.
    »Ich treib mich noch ein bisschen hier rum«, kündigte der Bluthund an. Sein Blick streifte Ivana.
    »Verstehe«, griente ich. »In einer Stunde am Auto. Okay?«
    Er brummelte etwas, was ich als Zustimmung deutete. Das Objektiv seiner Kamera war auf die hübsche Dolmetscherin gerichtet.

Vierzig Euro pro Tag für eine Matratze
    Ein kleines Café eine Straße weiter bot frischen türkischen Kaffee und eine Auswahl türkischer Snacks für kleines Geld. Maxi und Mobby waren hier offenbar bekannt. Der Wirt brachte gleich eine Schüssel mit Wasser und eine Handvoll Trockenfutter.
    Mobby wackelte zu dem Napf, schlabberte und setzte dabei die halbe Kaffeebude unter Wasser. Anschließend steckte er seine Zunge ins Trockenfutter und schüttelte ab, was nicht kleben blieb. Das Zeug verteilte sich auf den Fliesen. Ich schüttelte mich innerlich und wandte mich Maxi zu.
    »Ivana ist ein Lichtblick für uns«, erklärte sie. »Wenn wir sie nicht hätten, wäre der Kontakt zu den Roma unmöglich. Sie spricht Xoraxane-Romani, Bulgarisch, Türkisch und ein wenig Deutsch.«
    »Ich hab mal gehört, dass es ganz viele Zigeunersprachen gibt«, fiel mir ein.
    »Unendlich viele. Die Roma sprechen indo-arische Zigeunersprachen, die sich wiederum unterscheiden. In der Türkei ist die Sprache anders als in Rumänien oder Bulgarien. Fragen Sie mich nicht, wo die Unterschiede genau liegen. Es ist jedenfalls sehr kompliziert, Kontakt zu den Menschen zu bekommen. Polizei bedeutet für sie Unterdrückung und Gewalt, und uns trauen sie auch nicht über den Weg. Unser erster Erfolg ist Ivana. Sie kam vor zwei Jahren nach Bierstadt, da war sie zwanzig. Ihre Familie hatte beschlossen, dass sie hier anschaffen sollte.«
    »Ivana war eine Hure?« Ich dachte an Waynes interessierten Blick.
    »Ja, gezwungenermaßen. Ein Verwandter, der bereits in Bierstadt lebte, besorgte ihr ein Zimmer in einem der Müll häuser. Eine große Matratze, einen Zwei-Platten-Kocher und einen Topf. Dafür nahm der Kerl vierzig Euro pro Tag von dem Mädchen. Und dann ging es Ivana wie so vielen anderen: Ein Freier nach dem anderen, keine Kondome. Kein Arzt, als ein Mann sie quälte und verletzte. Dafür Vorwürfe von der Familie, weil sie nicht genug Geld nach Hause schickte.«
    »Was ist das für eine Kultur, die die eigenen Kinder so behandelt?«, fragte ich. »Lieben die ihre Kinder denn nicht? Wollen sie sie nicht beschützen?«
    »Kultur?« Maxi Singer lachte bitter. »Für Kultur ist Zeit, wenn man genug zu essen hat. Der Mensch will überleben. Das ist sein erstes Ziel. Ist er satt, dann denkt er vielleicht mal über Kultur nach. Im Übrigen gelten Frauen in manchen Völkern immer noch nicht besonders viel. Sie sind Besitz der Männer – wie Hühner oder Kühe.«
    »Ich kann mir das nur schwer vorstellen«, murmelte ich. »Ich habe gelesen, dass man die kleinen Mädchen schon mit elf oder zwölf Jahren verheiratet …«
    »Ja, oder auf den Strich schickt – nach Bierstadt«, vervollständigte Maxi Singer.
    »Wie ist Ivana da rausgekommen?«
    »Das hat sie einem ihrer Freier zu verdanken. Der hat gemerkt, dass Ivana ihn nicht freiwillig bediente. Sie war apathisch und weinte. Er hat uns informiert und wir haben sie aus dem Haus befreit. Aber das ist die Ausnahme. Den meisten Männern ist es egal, wie die Huren drauf sind.«
    »Sind es wirklich siebenhundert?«
    Maxi Singer schüttelte den Kopf. »Quatsch! Das ist eine Zahl, die von den Politikern erfunden worden ist, um die Schließung des Straßenstrichs bei der Bezirksregierung durchzudrücken. Siebenhundert Frauen! Wie das klingt! Als ob ein böser Wespenschwarm unsere Moral gefährdet. Was überhaupt nicht diskutiert wird, ist, dass es die hiesigen Männer sind, die sich bedienen lassen. Gucken Sie sich mal die Internetseite www.billig-ficken-in-bierstadt.de an.«
    Der Wirt brachte eine nette Kollektion türkischer Leckereien. Für einige hätte ich sogar meine geliebten Mandelhörnchen liegen lassen.
    »Was wird nun aus Ivana?«
    »Zurück nach Plovdiv kann sie nicht mehr«, antwortete Maxi Singer. »Sie bekommt ein kleines Honorar für die
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