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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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aufgekauft – ausgerechnet von der staatlichen Landesentwicklungsgesellschaft während der kurzen CDU/FDP-Regierungsphase. Anschließend steckten die sozial schwachen Mieter mittendrin im Kapitalistenspiel. Viele Wohnungen wurden nicht mehr saniert, die Mieten trotzdem erhöht. Funktionierte das Spielchen nicht so einfach, ließ man die Häuser leer stehen und verkommen oder verkaufte sie weiter. Die Menschen, die zum Teil seit Generationen in den Wohnungen gelebt hatten, spielten dabei keine Rolle.
    Die Gesellschaft hatte ein Büro in Bierstadt, doch ich erhielt keinerlei Auskunft darüber, wer zuletzt in den beiden Immobilien in der Juliusstraße gewohnt hatte. Also musste ich doch wieder Hauptkommissar Friedemann Kleist anrufen.
    »Dass die Häuser Whitehall gehören, weiß ich schon«, kam ich gleich zur Sache. »Aber wer hat den Schlüssel zum Hinterhof?«
    »Maria, dir ist doch klar, dass ich dich genauso behandeln muss wie andere Medienvertreter«, antwortete er leicht genervt. »Die Frage hat mir deine Kollegin von der Boulevard-Zeitung auch gestellt.«
    »Huch! Die war schneller als ich?«, wunderte ich mich.
    »Nur wenige Minuten«, räumte Kleist ein. »Also gut: Whitehall hat keine Ahnung. Das Haus steht seit fast einem Jahr leer. Die Mieter sind in alle Winde verstreut. Und der Schlüssel zum Hinterhof hing früher im Flur an einem Nagel und war damit jedem zugänglich. Vielleicht hat die Leiche mit den Häusern gar nichts zu tun. Der Täter hat wohl einfach eine Stelle gesucht, wo er den Körper ablegen konnte, ohne dass er zu schnell entdeckt wurde.«
    »Ist die Frau missbraucht worden?«, nutzte ich die Zugänglichkeit des Hauptkommissars aus.
    »Ja. Und nicht nur einmal. Wir haben Gen-Material von mindestens fünf Männern gefunden. Weitere Spuren belegen, dass die Frau sich heftig gewehrt hat.«
    Am Abend berichteten auch die Fernsehsender über die Tote im Müll. Es wurden die wildesten Spekulationen angestellt – bis hin zu dem Verdacht, dass die junge Frau aus der Szene aussteigen wollte und deshalb von ihren eigenen Leuten bestraft worden sei. Aber auch von durchgeknallten Freiern war die Rede, die den Billig-Sex auf Bierstadts Straßenstrich und die Rechtlosigkeit der Frauen für ihre perversen Gelüste nutzten.

Romakinder oder ein Tänzer aus der Ukraine
    Ich wollte mehr über die bulgarische Nordstadt-Szene erfahren. »Machst du mit?«, fragte ich Wayne Pöppelbaum.
    »Bei was?«
    Ich erklärte es ihm.
    »Und wie willst du das Schnack verkaufen?«, fragte er. »Der hat es noch nicht aufgegeben, das Tageblatt zu einer Heimatzeitung mit Herz umzugestalten. Auch, wenn er von den Ereignissen regelmäßig überrollt wird.«
    »Ich verkauf ihm das über die Kinder«, kündigte ich an.
    »Welche Kinder?«
    »Warte ab.«
    In der Konferenz machten wir alle unsere Themenvorschläge und besprachen das Pflichtprogramm.
    Kulturredakteurin Wurbel-Simonis entzog sich dem schnöden Tagesgeschäft mit dem Vorschlag, während einer längerfristigen Beobachtung über die Entwicklung eines jungen Ballett-Tänzers aus der Ukraine zu berichten. Sie trug ihre Idee mit einer Leichenbittermiene vor, als wüsste sie schon vor ihrem letzten Wort von der Ablehnung.
    »Eine Homestory?«, fragte der Chef.
    »Ja, wenn Sie es lieber auf Englisch ausdrücken, Herr Schnack«, muffelte sie.
    »Sieht er gut aus?«, fragte ich.
    Wurbel-Simonis warf mir einen ›Du-schon-wieder‹-Blick zu. Doch sie war bestens vorbereitet und legte ein paar Fotos auf den Tisch. Sarah und Stella griffen schneller danach als ich.
    »Tänzer sind doch alle schwul«, warf Pöppelbaum ein. »Auf so eine Homestory verzichte ich gerne.«
    »Höre ich hier homophobe Töne?«, fragte Schnack mit Eisaugen.
    »Homo…, was?« Wayne war auf Krawall gebürstet.
    »Homophobie ist Angst vor homosexuellen Menschen und ihrer Lebensweise«, dozierte ich. »Gehört in die gleiche Kiste wie Rassismus und Sexismus.« Endlich wurden die Fotos frei. Ich schnappte mir eins. »He, der ist ja richtig niedlich!«, entfuhr es mir. »So treue Hundeaugen. Und der Hintern ist auch nicht von schlechten Eltern.«
    »Ich muss doch sehr bitten, Frau Kollegin«, schnarrte Schnack, selbst die Rückseite des Ukrainers fixierend. »Wir sind doch hier nicht auf dem Fleischmarkt.«
    »Ich finde solche Äußerungen empörend«, schnappte Wurbelchen. »Es geht darum, wie sich ein junger Künstler in ein Ensemble integriert, wie er mit der deutschen Mentalität klarkommt, um Probleme
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