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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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auszuspucken. Ich war erleichtert, eine Menge Menschen zu sehen, die kamen, gingen, redeten und warteten.
    Ich wiederholte meine Frage nach dem Weg zum Dach.
    »Da gibt es eine schmale Treppe«, erinnerte er sich, »ich hab da mal Handwerker raufgehen sehen. Die Stufen führen zu einer schweren Eisenklappe, die geöffnet werden kann. Die Stu-
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fen allerdings sind noch mal durch eine Stahltür abgesichert, die immer verschlossen ist.«
    »Sind Sie mal auf dem Dach gewesen?«
    »Um Himmels willen! Mir reicht die Aussicht aus meinen drei Bürofenstern.«
    »Hat sich mal jemand vom Dach gestürzt?«
    Er bekam wieder seinen mißtrauischen Blick und zögerte mit der Antwort. Die verbale Konfrontation mit dem Leben außerhalb von Post-Mailing und Profit machte ihn unsicher.
    »Also - war da mal was? Ein Unfall vielleicht?«
    »Nicht, daß ich wüßte!« kam es dann. »Die Tür ist immer verriegelt. Hab ich Ihnen ja bereits gesagt.«
    »Wo ist der Schlüssel zu der Tür?«
    »Keine Ahnung. Warum wollen Sie das eigentlich wissen?«
    In seinem Blick kamen wieder Zweifel hoch, ob er es nicht doch mit einer lebensmüden Frau mittleren Alters zu tun hatte. Ich ließ ihn stehen, deutete eine Verabschiedung an.
    »Moment, ich muß Sie wieder austragen!« sagte eine Stimme hinter mir. Es war der Pförtner, der seinen Platz hinter dem Empfang verlassen hatte, und mir gefolgt war.
    »Warum so viel Aufwand?« wollte ich wissen.
    »Anweisung. Jeder, der das Haus betritt und verläßt, wird ein- und ausgetragen. Sicherheitsmaßnahmen.« In seiner Stimme schwang Stolz über das ausgeklügelte Überwachungssystem.
    »Und wenn jemand einen falschen Namen nennt?«
    »Ich hab einen Blick für Menschen«, prahlte er. »Sie waren doch Frau Meier, oder?«
    Ich nickte und lobte sein Gedächtnis. Zufrieden trollte er sich.
    Draußen war die Luft frühlingshaft kühl. Langsam schlenderte ich in Richtung Parkplatz. Warum hatte ich einen falschen Namen angegeben? Ich wußte es nicht. Ich werde langsam komisch, dachte ich, erst dieser blöde Traum und nun eine Lüge, die zu nichts nutze war.
    Unter meinem Scheibenwischer prangte ein Gruß des Bier-
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tädter Straßenverkehrsamtes: Man wollte einen Zehner von mir, weil die Parkuhr abgelaufen war. Gerade mal fünf Minu-en. »Diese Frauen lauern in Bierstadt hinter jedem Busch«, murmelte ich genervt. Als ich den Autoschlüssel ins Schloß steckte, erblickte ich inen Lieferwagen, der auf seinem offenen Laderaum Blumen transportierte. Neben den üblichen Frühlingsblumen wie Narzissen und Tulpen hatte er mehrere Paletten Hyazinthen gela-den. Ihr Duft streifte beim Vorbeifahren meine Nase.
    Ein Wochenende im Zeichen der Steinpilzköpfe
    Die Küche war groß und geräumig. Ich stand an dem Küchenblock mitten im Raum und hatte sieben wissensdurstige Kursteilnehmer um mich versammelt, die von mir schnuckelige Zaubereien aus dem Reich der italienischen Küche erwarteten. Sie sollten kriegen, was sie teuer bezahlt hatten.
    Die Kurse fanden auf einem Weingut zwischen Florenz und Siena statt. Sanfte Hügel, dunkle Zypressen, ab und zu ein niedrig gebautes toskanisches Landgut, das sich malerisch in die Landschaft einfügte - die Gegend zog mich seit Jahren magisch an. Es war mir, als spürte ich die gewaltige Geschichte der Landschaft und ihrer schönen Städte, wenn ich ein paar Frühlingswochen hier verbrachte. Es war Zeit für meinen Einführungsvortrag. »Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu dem ersten Teil unserer Kochschule, in der ich Ihnen einige grundlegende Kenntnisse vermitteln möchte. Zuerst ein paar Informationen zu dem Land, in dem wir uns befinden. Die stiefelförmig aussehende italienische Halbinsel verbindet Mitteleuropa mit dem afrikanischen Kontinent. Unterschiedlichste Landschaften und Kulturgebiete gehen in den über tausend Kilometern nahtlos ineinander über. Von den italienischen Alpen bis zu den dürren Weiten Siziliens gibt es deshalb auch viele Geschmacks-
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richtungen und Zubereitungsgewohnheiten. Je weiter südlich, desto derber und ländlicher wird die Küche. Die Menschen werden ärmer, können ihr Essen also nicht so fein und raffiniert herrichten wie die Menschen im Norden.
    In diesem Wochenendseminar werde ich Ihnen einen ersten Eindruck über die Vielfalt der italienischen Küche, inklusive ihrer Weine vermitteln.«
    Ich hatte diese Einführung schon neunmal zum Besten gegeben. Die heutige Nummer zehn war der Abschluß der »Italien-Kochschule«, die
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