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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Autoren: Peter Berling
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Wenn er mich kurz empfing, zog es mein Souverain vor, mit mir zu beten, oder ich mußte ihm Geschichten von Saint-Francois erzählen, den ich allerdings gar nicht mehr persönlich e r lebt habe, was ich, um ihn nicht zu enttäuschen, stets g e schickt überspielte. Wir waren ’ s beide so zufri e den.
    Es muß ein wüster Alptraum gewesen sein, der meinen Herrn und allergnädigsten Gebieter heimsuchte, oder es waren seine Gebresten, Blutarmut und Rotlauf, unter denen er litt, oder plagten ihn seine sonstigen geistlichen Berater – zu denen ich mich kaum zählen durfte? Seit Wochen l a gen sie ihm in den Ohren, endlich den letzten Stachel der Ketzerei aus dem seit langem geschlagenen und geschu n denen Fleisch des Südens zu reißen. Wah r scheinlich waren es die Einflüsterungen seines obskuren Beichtvaters Vitus von Viterbo, vom Papst persönlich geschickt, die ihn drängten, die Madonna zu versöhnen und den frechen I n quisitorenmord von Avignonet zu rächen. Jedenfalls schwor der fromme Mann der allerheiligsten Jungfrau, nunmehr dem Ketzernest auf dem Pog de Montségur den Garaus zu machen. Jenem Maulwurf Roms – ich bekam ihn nie zu Gesicht – mögen unsere gemeinsamen Gebete ein Dorn im Auge gewesen sein, so daß ich mich eines T a ges von königlicher Güte übe r schüttet sah: Ich erhielt das Privileg, bei dem Unterne h men gegen die Katha-rerfeste mitzuwirken – als Feldka p lan eines Provinz-Seneschalls, der schon zwei hatte und eigentlich keinen mehr wollte.
    Der Viterbese sorgte dafür, daß ich sofort meine Be stal lungsurkunde in die Hand gedrückt kriegte und in Marsch gesetzt wurde. Ich sah einen eintönigen Au f enthalt auf dem Lande vor mir, packte ein paar Bücher ein, die hoffentlich der Bibliothek nicht zu sehr fehlen würden, um dem Stumpfsinn eines Feldlagers in der Pr o vinz meine geistige Weiterbildung entgegensetzen zu können, verabschiedete mich auch nicht von meinen treusorgenden Eltern, die mich und mein Or denshaus in der Kapitale immerhin erfreulich regelmäßig mit Schweins würsten und Speck versehen ha t ten, und begab mich lustlos auf die mir zugemutete Reise in den dum p fen Süden. Ich sollte weder Dorf noch Paris noch die lieblichen G e stade Flanderns je wiedersehen.
    Einmal ins Mittelmeer getaucht, geriet ich in die Strudel von Skylla und Charybdis; sie sogen mich in die Tiefe, ri s sen mich fort, warfen mich an Strände, von denen ich nie geträumt hatte – oder doch? Waren das nicht die en d losen Wüsten, die steinigen Gebirge, in denen der Versucher mich auf den Turm führte, jene Einöden, vor denen ich mich als Bub und noch als Novize geängstigt hatte, welche ich nun durchzog, durch die ich gezogen wurde, kleiner Bauer im gigantischen Schach der Großen dieser Welt. Bald Läufer, bald Springer – bedroht von finsteren Tü r men, umschmeichelt von hohen Damen, Figur we l chen Königs?
    Anfangs diente ich noch Ludwig in bedingungsloser Loyalität. Er war mein guter Souverain; fehlte ich seiner, schämte ich mich, soweit mein Sinn für Scham entw i ckelt war. Doch in dem Maße, in dem ich ihn aus dem Auge ve r lor, schwand auch mein flämisch bodenständiges Selbs t verständnis. Ich war entwurzelt. Andere Kräfte schoben mich bis an den Rand des Universums, warfen mich von dem übersichtlichen Brett, das mir so klar in Schwarz und Weiß aufgeteilt zu sein schien. Stellten mich zurück ins Spiel, wenn ich mich schon längst au f gegeben hatte, jagten mich, vergaßen mich. War Schwarz das Gute, für das es dem Mönch der Ecclesia catolica zu kämpfen galt? War das rote Tatzenkreu z d er Templer noch Signum Christi? Das grüne Tuch der Muslim, Versprechen oder Verdam m nis? Die Feldzeichen der Mongolen, Brandeisen des Te u fels? Oder die weißen, wehe n den Gewänder der Katharer -verhießen sie doch das P a radies? Ich erfuhr Barmherzigkeit von den Assassinen, bedingungslose Treue von den Tat a ren, fand Freunde unter christlichen Rittern und Edelmut bei den arabischen Emiren. Ich erlebte Gift, Niedertracht und gräßlichen Tod, ich sah Liebe und Opfer, doch kein Schicksal hat mich mehr bewegt als das der Kinder – der Infanten des Grals.
    Ihrem Andenken fühle ich mich verpflichtet. Sie waren mir verwandt, als seien es die Meinen. Sie waren die za r ten Figuren der Hoffnung, die von gnadenlosen Gewalten über das Spielbrett geschoben wurden, das kindliche Herrsche r paar im ›Großen Plan‹. Mein König und meine Königin! Mit ihrem Ende zerstob der Traum von
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