Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Grafeneck

Titel: Grafeneck
Autoren: Rainer Gross
Vom Netzwerk:
und keine kleinen Kinder waren, die gibt es nicht mehr oft in Buttenhausen. Waiblinger ist nach Hundersingen gefahren und versucht es dort. Aber sie werden die Untersuchung bis nach Gundelfingen, bis nach Marbach ausdehnen müssen, in Ehestetten und Eglingen und vielleicht sogar in Münsingen nachfragen müssen. Das kostet Zeit. Lange will er hier nicht mehr bleiben. Vielleicht sollte ich mir Verstärkung holen, denkt Greving. Waiblinger und er allein brauchen zu lange.
    Eugen Mattes schaut vom Hackklotz auf und grüßt.
    »Grüß Gott, Herr Kommissar.«
    »Guten Tag, Herr Mattes. Darf ich Sie einen Augenblick stören?«
    »Je älter der Bock, desto härter ’s Horn. Sind Sie immer noch wegen der Leich unterwegs? Ich mache bloß grad ein paar Spächele für den Ofen, wissen Sie.«
    »Wir haben ein paar Dinge herausgefunden, aber wirklich weiter sind wir noch nicht.«
    »Sie, Herr Kommissar«, sagt Mattes und winkt ihn her, senkt die Stimme, hat das Beil schlagbereit in der Hand. Als wollte er mir den Kopf abhauen, denkt Greving. Wie einem Huhn. Gackernd renne ich dann herum, ohne Kopf. »Hat denn der Mauser was damit zu tun?«
    »Herr Mauser? Wieso sollte er?«
    »Weil der hat mich mit einer Pistol bedroht, lauter dummes Zeug gefaselt. Den treibt was um, sage ich Ihnen!«
    Greving nickt. »Das hat mir Waiblinger schon erzählt. Sie haben keine Anzeige erstattet?«
    »Das nicht«, sagt Mattes und läßt das Beil sinken. Nachdenklich schweigt er einen Augenblick lang. »Wissen Sie, ich habe zwar ein bißchen Angst gehabt, was weiß ich, was dem einfallen kann, aber schließlich war der schon immer ein komischer Kauz. Ein Eigenbrötler. Daß gerade der die Leich findet …«
    »Und wie kommen Sie darauf, daß er etwas mit dem Mord zu tun hat?«
    »Na, ich mein halt. Der Waiblinger –«
    »Der Herr Waiblinger sollte sich mehr um seine Aufgaben kümmern und weniger Gerüchte in die Welt setzen. Zum Beispiel die Leute nach diesem Bild befragen.« Und er zieht es aus der Tasche, hält es Mattes hin, beobachtet ihn genau. Es zuckt in Mattes’ Gesicht, er wendet sich ab, schaut noch einmal hin und zuckt die Schultern. Bückt sich nach einer Holzrolle und will weiterhacken.
    »Den hab ich noch nie gesehen«, sagt er abweisend.
    »Herr Mattes, das glaube ich Ihnen nicht.«
     
    Spurlos verschwunden liest Mauser die Überschrift. Runzelt die Stirn. Er hat keinen Nerv, sich irgendwelche Zeitungsberichte durchzulesen. Erst als er das Foto entdeckt, schaut er genauer hin. Das Foto kommt ihm bekannt vor. Er schaut sich das Gesicht an, es steckt in einem Uniformkragen. Der Mann trägt eine Uniformmütze und hat unterm Auge ein Muttermal. Jetzt erkennt Mauser das Gesicht.
    »Das ist er«, sagt er verdutzt.
    »Gell?« sagt Waltz und beugt sich mit ihm über den Ausschnitt.
    »Wer ist das?«
    »Lies.«
    Mauser überfliegt den Artikel. Er versteht nicht viel. Nur das eine: Der Leiter der Anstalt Grafeneck ist an einem zwölften November neunzehnhundertvierundvierzig spurlos verschwunden. Dr. Jürgen Schumacher. Der Leiter von Grafeneck. Mauser nickt vor sich hin.
    Der ist die Leich. Das Muttermal ist unverkennbar.
    »Woher hast das?« fragt er Waltz und mustert ihn mißtrauisch.
    »Aus meinem Archiv. Ich habe es gefunden und habe mir gedacht, das mußt du sehen.«
    »Woher weißt denn du, wie der Tote ausgesehen hat? Wenn der Kommissar noch gar nicht bei dir war?«
    »Ist doch egal. Weißt denn, was das bedeutet?«
    Mauser nickt und lächelt. So was.
    »Der Tote war gar kein Behinderter. Das war einer von den Schuldigen.«
    »Der Oberschuldige, wenn du’s genau wissen willst.«
    Mauser faltet den Ausschnitt wieder zusammen und schiebt ihn Waltz zu. Der nimmt ihn und steckt ihn ein.
    »So was«, sagt Mauser und schüttelt den Kopf.
    »Da bist du platt.«
    »Woher weißt das? Du weißt auch mehr, als du zugibst.«
    »Na und? Freust dich nicht? Dein Vater –«
    »– war trotzdem ein Mörder.«
    »Ein Nazi-Mörder. Das kann man doch verstehen, oder nicht?«
    »Verstehen. Ja, das kann ich jetzt.«
    »Der war damals fuchsteufelswild, dein Vater. Ganz kalt war der vor Wut. Jeder hat gewußt, was die in Grafeneck machen, und keiner hat nix unternehmen können...«
    »Woher weißt das von meinem Vater? Bist dabei gewesen?«
    Waltz schüttelt den Kopf. Mauser merkt, daß Waltz vieles zu erzählen hätte, aber nicht kann. Laß ihn, denkt Mauser. Wenn er mir’s erzählen will, dann tut er’s schon.
    »Daß sie Grafeneck dichtmachen wollen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher