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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle
Autoren: Marie Cordonnier
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gegeben.
    Ein Glück, dass Kérven nicht ahnte, wie schwach sie selbst vor Sehnsucht war. Dass es ihr mindestens ebenso schwerfiel wie ihm, die Hände ruhig und die Miene gelassen zu halten. Hoffentlich konnte er den rasenden Schlag ihres Herzens nicht hören, der so verräterisch laut in ihren eigenen Ohren klang.
    Das festliche Mahl, bei dem Graciana in königlicher Haltung neben ihrem schweigsamen Bräutigam residierte und die Glückwünsche des Gesindes sowie der Stadtabgeordneten entgegennahm, schien kein Ende zu nehmen. Kérven zweifelte, ob er die Qual weiter ausgehalten hätte, wäre da nicht Pol de Pélage gewesen, der ihn immer wieder prüfend betrachtete. Doch vor dem Waffenmeister des Herzogs wollte er keine Schwäche zeigen. Nicht vor dem Mann, der in allen Einzelheiten über seine Fehler Bescheid wusste und der sich zum Beschützer der Frau erhoben hatte, die Kérven mehr als sein Leben liebte.
    Graciana merkte besorgt, dass er seinen Schock überwand, dass er mehr und mehr seine Fassung zurückgewann. Sie hatte den beherrschten Kérven fürchten gelernt.
    »Keine Angst!«, Pol de Pélage, der zu ihrer Rechten saß, las ihre Gedanken und neigte sich zu ihr hinüber. »Er wird dem Befehl folgen, denn er ist dem Herzog treu ergeben. Obwohl ich fürchte, dass er versuchen wird, ihn auf seine Weise auszulegen.«
    »Das fürchte ich auch«, entgegnete Graciana trocken. »Dieser Mann hat einen Kopf so hart wie die Granitbrocken, die das Fundament seiner neuen Türme bilden sollen. Sollte er Euch vor unserer Hochzeit irgendwelche Papiere anvertrauen, die Ihr erst später öffnen sollt, so gebt mir unverzüglich Bescheid.«
    »Was fürchtet Ihr noch, Kind?«
    »Das Schlimmste«, wisperte sie bang und presste die Hand auf ihr Herz. »Er gehört nicht zu jenen, die sich ihre Fehler verzeihen!«
    Kérven sah, dass sie mit dem Mann tuschelte, der die Vaterstelle an ihr vertrat. Es hätte ihn ärgern sollen, aber das Gegenteil war der Fall. Der Waffenmeister würde ihr zur Seite stehen. Er ließ sie nicht allein zurück, wenn er seinen verzweifelten Plan in die Tat umsetzte. Es war ein beruhigendes Gefühl.
    »Bitte den Seigneur des Iles zu mir, Arlette! Schnell, ehe er sich zu Bett begibt.«
    Graciana zog den Gürtel des pelzgefütterten Hausmantels enger um die schmale Taille und schüttelte die offenen, frisch gebürsteten Haare aus. Die große Herrschaftskammer, die einmal so kahl ausgesehen hatte, wirkte mit dem Spiegel, den samtgepolsterten Taburetten, den Kleiderkisten und kostbaren Teppichen plötzlich wie ein Schmuckkabinett. Nur, der Alkoven war zu groß für eine Person, und wenn Kérven sein Recht auf dieses Lager nicht in Anspruch nahm, dann wurde es Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.
    »Um diese Zeit?«, wunderte sich die Dienerin und versuchte heldenhaft ein Gähnen zu unterdrücken. »Alle Welt schläft sicher!«
    Es war weit nach Mitternacht, und sie verspürte keine große Lust, den Herrn in der riesigen Burg, die sie nicht kannte, zu suchen. Aber Gracianas Gesicht verriet ihr, dass es besser war zu gehorchen.
    »Ich gehe schon ...«, seufzte sie und schlüpfte hinaus.
    Die junge Frau begann nervös auf und ab zu wandern und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Sie verharrte vor dem immer noch neuen Wunder des Spiegels und korrigierte den hoch geschlossenen Mantel. Arlette behauptete, dass kein Mann dem Anblick eines wohlgerundeten Busens widerstehen konnte. Warum nicht in diesem wichtigen Moment die Probe auf das Exempel machen?
    Sie probierte noch zwischen dem Busenansatz und halb entblößten Brüsten herum, als Arlette ungewohnt schnell wieder auftauchte. Sie hatte erstaunlicherweise nicht Kérven, sondern Ludo im Schlepptau. Genauer gesagt, zog sie den protestierenden Pagen am Ohr in das große Gemach, ehe sie ihn freigab.
    »Er weiß etwas!«, sagte sie kurz angebunden. »Sein Herr ist verschwunden, aber er weiß, wohin!«
    Graciana betrachtete Ludo, der verstockt sein glühendes Ohr rieb und seine großen Füße betrachtete. Sie wusste, dass er seinen Seigneur liebte und ihm treu ergeben war. Was konnte sie tun, um ihn als Verbündeten zu gewinnen?
    »Wo ist der Seigneur?«, fragte sie knapp und zwang sich zu einem ruhigen, liebenswürdigen Tonfall.
    »Ich verrat’ es nicht! Es geht Euch nichts an!«, entgegnete er trotzig.
    »Gut, dann behalt’s für dich«, versicherte Graciana überraschenderweise, doch gerade, als er aufatmete, fügte sie streng hinzu: »Aber du sagst mir,
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