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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle
Autoren: Marie Cordonnier
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hatte, starrte sie mit offenem Mund an. Kérven konnte es ihm nicht verübeln. Auch ihm war diese Furie neu, die Befehle erteilte wie ein aufgebrachter Kriegsherr.
    »Ihr könnt mir nichts verbieten«, sagte er mühsam beherrscht und versuchte seine Sinne gegen das Bild abzustumpfen, das sie ihm bot. Gab es eine Frau auf Erden, die ihr an Leidenschaft glich?
    »Ach?« Gracianas Augen wurden schmal, und sie trat so nahe zu ihm, dass er sah, wie sich ihre Brüste unter ihrem heftigen Atem hoben und senkten und wie die feine Ader an ihrem Hals pochte. Der wütende Lauf hatte den Ausschnitt ihres Hausmantels weit über die Grenze des Schicklichen entblößt. »Dann geht, mein frommer Freund! Geht!«
    Eine Geste zur Tür unterstützte diese Aufforderung, und Ludo und Arlette, die eben hereinstürzten, blieben wie vom Donner gerührt stehen.
    »Aber ich gehe auch!«, hörten sie Graciana im selben Moment verkünden. »Beim ersten Schritt, den ihr aus dieser Kapelle tut, werde ich nach Cado reiten und bei meinem schurkischen Vater bleiben, habt Ihr gehört, Messire? Und dort, in diesem verabscheuungswürdigen Rattennest aus Verbrechen und Sünde, aus Mord und Folter wird Euer Sohn zur Welt kommen! Während Ihr in scheinheiliger Frömmigkeit Eure vermeintlichen Sünden abbüßt, werden wir zur Hölle fahren! Auf Wiedersehen beim Satan, Kérven des Iles!«
    »Dame Graciana, bitte, so beruhigt Euch doch!«, flehte der entsetzte Pater, aber weder Graciana noch Kérven hörten auf ihn.
    »Du bekommst ein Kind?«, flüsterte Kérven rau.
    »Dein Kind!«, bestätigte Graciana wild und warf die wirre Flut ihrer Locken über die Schultern zurück.
    »Aber ...«
    »Es ist deine Entscheidung!«, fiel sie ihm ins Wort. »Wenn ich den Kampf um dich verliere, ist mir egal, was aus mir wird!«
    Kérven sah die Leidenschaft in ihrem schönen Gesicht, die Kompromisslosigkeit und den Willen zu kämpfen. Sie mochte ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten sein, aber sie hatte den ungezähmten Kampfgeist ihres Vaters. Sie gehörte nicht zu jenen, die aufgaben oder verloren!
    »Es geht mir doch nur um dich!« Kérven dämpfte seine Stimme zu eindringlicher Inbrunst. »Ich will, dass du glücklich bist, dass du die Schrecken der Vergangenheit vergisst und ein neues Leben beginnst. Ich gehöre zu deiner Vergangenheit!«
    Graciana strich sich die Haare aus der Stirn und fühlte sich plötzlich müde und schwach. In einem wilden Kaleidoskop tanzten die Bilder vor ihren Augen.
    Sainte Anne in Flammen, Paskal Cocherel in der Folterkammer, Kérven mit dem Adler von Lunaudaie auf der Brust.
    »Denkst du, man könnte ein neues Leben beginnen, wenn man der Vergangenheit davonläuft?«, fragte sie heiser. »Ich hätte lieber, wenn du meine Vergangenheit und meine Zukunft wärst. Ich liebe dich! Ich liebe dich mehr als mein Leben, mehr als meine Seligkeit, mehr als mich und – Gott strafe mich – sogar mehr als dieses Kind, das in mir wächst. Wenn du gehst, dann sterbe ich ...«
    »Ihr versündigt Euch, Dame Graciana!«, mahnte Pater Raoul besorgt, der dieses rückhaltlose Geständnis als geradezu heidnisch empfand.
    Kérven hingegen konnte Graciana nur ansehen. Er hatte gebetet, gebeichtet und doch nicht die Erlösung gefunden. Erst jetzt, beim Blick in die goldenen Augen Gracianas, fühlte er die Schleier der Düsternis und Schuld weichen. Was musste sie noch tun, damit er ihr endlich glaubte?
    »Traut uns, Vater!«, sagte er, ohne den Blick von diesen hellen Augensternen zu nehmen.
    »Aber das geht nicht!«, protestierte Pater Raoul perplex. »Es ist mitten in der Nacht. Warum wollt Ihr nicht die zwei Tage bis Weihnachten warten? Alles schläft, und die Zeugen ...«
    »Traut uns!«, wisperte Graciana, die in Kérvens strahlenden Augen ertrank.
    »Und was die Zeugen betrifft!« Kérven winkte Arlette und Ludo, die plötzlich neben ihm auftauchten. »Die beiden sollten genügen!«
    Pater Raoul betrachtete das Paar, das sich selbstvergessen in die Arme gesunken war. Er bedachte die Aufregungen, die ihm die wenigen Stunden auf Lunaudaie bereits beschert hatten, den verzweifelten Burgherrn, der eben noch vor ihm gekniet hatte, und die leidenschaftliche Dame, deren Schicksal er in den Händen hielt. Vielleicht war eine schnelle Trauung nicht der schlechteste Weg, alle weiteren Schwierigkeiten aus dem Wege zu schaffen. Außerdem hatte der Herzog die Ehe zwar befohlen, aber nichts davon gesagt, wann sie geschlossen werden sollte.
    »Nun gut, wenn Ihr es
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