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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle
Autoren: Marie Cordonnier
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etwas wie Vernunft voraussetzen konnte. Bei ihm fand er vielleicht eine Erklärung für dieses Possenspiel.
    »In der Tat, mein Lieber«, stimmte der Waffenmeister Graciana zu. »Seine Gnaden der Herzog hat mich gebeten, Euch Dame Graciana vor dem Altar zuzuführen. Er ist der Meinung, dass eine solche Heirat der beste Weg ist, sämtliche Probleme zu lösen, Eure und die Dame Gracianas. Ich bin in seinem Namen hier.«
    Kérven sagte immer noch nichts, aber Graciana schien es auch nicht zu erwarten. Sie übernahm ohne große Umstände das Kommando.
    »Es geht natürlich nicht an, einen Befehl des Herzogs zu missachten. Nun, nachdem das geklärt ist, werden wir uns den wichtigeren Fragen zuwenden«, äußerte sie freundlich. »Rose, ich nehme doch an, dass die Gemächer über der großen Halle sauber sind! Wenn nicht, müssen sie sofort gekehrt und ausgewaschen werden. Sorg dafür, dass die Kamine angeheizt werden, und falls die Fenster noch nicht eingebaut sind, hängt Läden davor. Ich wünsche, dass dem Seigneur de Pélage alle Bequemlichkeiten des Hauses zuteil werden und natürlich auch Pater Raoul. Gibt es besondere Räumlichkeiten für den Burgkaplan? Und was das festliche Mahl für heute Abend betrifft ...«
    Ihre Kommandos kamen liebenswürdig, aber unmissverständlich. Kérven konnte sie nur wie eine Vision anstarren. Er musste träumen. Zweifellos. Wahrscheinlich würde er jeden Moment aufwachen und sich einen vollendeten Dummkopf schimpfen!
    Ein leichtes Händeklatschen brachte Bewegung in das Gesinde, zauberte einen Willkommenstrunk für die durchgefrorenen Reisenden herbei und schenkte Graciana wieder die Möglichkeit, sich ihrem Lieblingsopfer zuzuwenden, ehe es sich vollends von seinem Schock erholt hatte.
    Eine Mischung aus Zorn, unendlicher Liebe und dem Wissen darum, dass sie ihn überrumpeln musste, um zu siegen, gab ihr die Kraft, ihr Spiel weiter durchzuhalten. Mit Schwäche eroberte man diesen Seigneur nicht, das hatte sie inzwischen gelernt, und das hatte ihr Jean de Montfort bestätigt.
    Aber sie würde siegen! Sie musste siegen! Hatte sie nicht sogar dem Herzog die Erlaubnis abgerungen, diesen Überfall zum Weihnachtsfest und nicht erst zu Dreikönig zu veranstalten?
    »Ihr entschuldigt mich bis zum Essen? Die Reise war ein wenig anstrengend, und ich würde mich gerne etwas ausruhen und ein Bad nehmen, ehe wir uns zu Tisch setzen!«
    Sie gab ihrer Dienerin, die sich im Hintergrund gehalten hatte und zwei Knechte beaufsichtigte, die eine riesige Reisetruhe schleppten, ein Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Sie stand von ihrem Thron auf und trat zu Pol de Pélage. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange, dann nickte sie Pater Raoul freundlich zu und schritt mit graziös gerafften Röcken davon. Jeder Zoll eine echte Dame. Eine vornehme Frau, die Kérven des Iles wie Luft behandelte.
    »Zum Henker!«, platzte der konsternierte Graf von Lunaudaie heraus, ehe er sich an den Waffenmeister wandte, mit dem man ihn allein gelassen hatte.
    Der Ritter nippte an seinem dampfenden Gewürzwein und betrachtete den jungen Burgherrn. Er brauchte nicht lange auf die Explosion zu warten.
    »Das kann nicht sein Ernst sein!«, rief Kérven außer sich. »Ihr wisst was geschehen ist, Ihr wart dabei, als ich es erzählt habe! Denkt Ihr nicht, dass es das Dümmste ist, was ...«
    »Ich denke, dass der Herzog klare Befehle gegeben hat. Wünscht Ihr seine Nachricht zu lesen?«, unterbrach ihn der Ältere barsch. Er zog ein Pergament aus seinem Umhang und reichte es weiter. »Er erwartet bedingungslosen Gehorsam von Dame Graciana und natürlich auch von Euch!«
    Kérven starrte auf das große Wachssiegel, ohne den Verschluss zu brechen. Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Er selbst hatte dem Herzog nahe gelegt, Graciana einem Manne zu geben, der für sie sorgen und sie die Schrecken der Vergangenheit vergessen lassen sollte.
    Weshalb freilich zwang er sie ausgerechnet dem einen auf, der für Graciana eine ständige Erinnerung an Leid und Demütigung sein musste? Konnte er nicht einmal über den Schatten seiner politischen Erwägungen springen und eine menschliche Entscheidung treffen?
    »Wie kann er Dame Graciana das antun?«, fragte er verständnislos.
    »Er ist unser Herr«, entgegnete Pol de Pélage gelassen. »Es ist eine politische Entscheidung, und sie sorgt zudem dafür, dass die Einzelheiten von Dame Gracianas Schicksal nicht noch mehr Leuten bekannt werden, als es
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