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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi
Autoren: Tatjana Kruse
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zog in eine andere Stadt – was aus dem Ungeborenen wurde, ob es überhaupt je das Licht der Welt erblickte, wusste man nicht.
    Mit 16 wurde Matze wegen Drogenbesitz – er betrieb eine Haschischplantage auf dem Dachboden seines Elternhauses, wo er mit seiner Rockband probte – vom Gymnasium geworfen. Obwohl das offizielle Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, da es sich um ein Erstvergehen handelte, galt er fortan als Betäubungsmittelkonsument.
    Mit 17 schwängerte er die Nachbarstochter, die das Baby sofort nach der Geburt zur Adoption freigab. Körperlich überstand sie alles gut, seelisch aber nicht: Sie ging kurz darauf ins Kloster.
    Mit 18 raubte Matze die Kasse der örtlichen Tankstelle aus, als der Besitzer gerade für kleine Tankstellenbesitzer war. Man kannte sich in der Kleinstadt, Matzes Mutter regelte die Angelegenheit unter der Hand und ersetzte den Schaden – mit einer Sonderprämie wegen des Schocks. So erhielt die Staatsmacht nie Kenntnis davon, und Matze wurde nicht zum Vorbestraften. Aber man sah doch ganz deutlich, dass sich durch das Leben seines Onkels gewissermaßen ein verlotterter roter Faden zog.
    Nach der Sache mit der Tankstelle verließ er den Ort. Alle gingen davon aus, dass er sein Leben künftig als Klein-, Mittel- oder Schwerkrimineller beziehungsweise als Obdachloser unter einer Brücke fristen würde, definitiv als Junkie. In der Familie sprach man nicht von ihm – was Alfie über ihn wusste, hatten Nachbarn ihm zugetragen –, und so wuchs Alfie nur mit der dumpfen Ahnung auf, dass es irgendwo auf der Welt einen Bruder seiner Mutter geben musste. Kennengelernt hatte er ihn nie. Matze hatte lange vor seiner Geburt das elterliche Nest verlassen, und Alfies Mutter, Matzes Schwester, wurde erst sehr spät schwanger – mit fast 42. Heutzutage mochte das ein völlig normales Wurfalter sein, damals jedoch galt sie als Spätgebärende mit Risikoschwangerschaft. Es war dann aber alles gut gegangen und Alfie wuchs zum Garanten dafür heran, dass der schöne Name Gänswein nicht aussterben würde.
    Angesichts von Matzens Vorgeschichte existierten allerdings vermutlich Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Cousins und Cousinen, weil Matze beim Rammeln mit allem, was nicht bei drei auf einem Baum saß, nicht verhütete. Aber offenbar war keiner dieser „Unfälle“ jemals ehelich zur Welt gekommen, sonst wäre Alfie jetzt nicht Alleinbegünstigter. Wie auch immer; Alfie hätte nie und nimmer damit gerechnet, irgendwann von seinem Onkel zu hören. Geschweige denn ihn zu beerben. Noch dazu ein Erbe in nicht unerheblichem Umfange .
    Dies war der Moment, in dem sich die Euphorie durchsetzte. Dabei hätte es ihn stutzig machen müssen: Seit wann meinte es das Schicksal gut mit ihm?
    Er, Alfie, der Freundschaftsbandenthusiast, Katzenhaar- und Ananasallergiker sowie Gelegenheitsjobber, konnte nun wirklich nicht behaupten, zu Fortunas Günstlingen zu gehören. Wohlgemerkt, er war auch kein Verlierertyp, kein farbloser Wicht, gewissermaßen die Farbe Beige auf zwei Beinen. Nein, er war eben ein Normalo, ein Durchschnittsmann – okay, vielleicht einen Tick unterdurchschnittlich –, einer, der noch nicht wusste, was das Leben mit ihm vorhatte, aber dennoch auch einer mit völlig normalen Vorlieben, Macken und Ängsten. Er hatte beispielsweise Flugangst und fürchtete, irgendwann an einer Fischgräte zu ersticken. Er wollte kein Alzheimer bekommen oder langes Siechtum erleiden. Was sich im Grunde eben jeder wünschte. Oder, besser gesagt, nicht wünschte.
    Auch Alfies Kindheit und Jugend war durchschnittlich gewesen, als kleiner Hüpfer viel auf dem Bolzplatz, in der Schule zwei Mal beinahe eine Ehrenrunde eingelegt, aber gerade noch so davongekommen, zwei abgebrochene Lehren, ereignislose Berufstätigkeit in wechselnden Jobs, dümpelndes Privatleben. Er hatte Herrenschuhe verkauft, Lederwaren aller Art, Tierfutter und Souvenirartikel, aber es hatte ihn nicht glücklich gemacht. Ebenso wenig wie seine Vorgesetzten. Kurzum, Glück schien für ihn nicht vorgesehen.
    Er war nicht nichts. Nur würde man für die Verfilmung seines Lebens keinen A-Listen-Star aus Hollywood verpflichten, wie es ihm in seinen Tagträumen vorschwebte, sondern mehr so die dritte Liga der deutschen Fernsehunterhaltung.
    Aber vielleicht wendete sich jetzt das Blatt? Vielleicht war genau das sein Schicksal? Da weiterzumachen, wo sein Onkel aufgehört hatte? Wo und was auch immer das sein mochte.
    Alfie kratzte sich an dem
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