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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi
Autoren: Tatjana Kruse
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halber Strecke vom Supermarkt nach Hause die Einkaufstüte platzte und ihren Inhalt auf die Straße ergoss. Er war eben ein Pechvogel.
    Alfie konnte förmlich schon spüren, wie er gegen die riesige, rote Lok prallte, unter sie rutschte und von ihr zermahlen wurde ...
    ... doch da packten ihn kräftige Hände, rissen ihn herum und zogen ihn auf den Bahnsteig zurück.
    „Jungchen, Jungchen, was machst du denn für Sachen?“, fragte ein hünenhafter, vierschrötiger Kerl mit Boxergesicht im Blaumann und hielt ihn vor sich wie ein Baby mit voller Windel.
    Alfie strampelte mit den Beinen, bis er Bodenkontakt bekam. Er war totenbleich, bekam kein Wort heraus und spürte den kalten Windhauch der Lokomotive, die an ihm vorbeirauschte. Laut quietschend kam der Zug zum Stehen.
    „Das kommt davon, wenn man zu nah am Gleiskörper steht“, meinte ein schnauzbärtiger Anzugträger und schüttelte den Kopf.
    „Ach herrje, das war ja grauenhaft. Ich hätte beinahe einen Herzkasper bekommen. Geht es wieder?“, fragte eine grauhaarige Seniorin im roten Ganzkörper-Filz-Ensemble und tätschelte Alfie die Wange.
    Typisch, wieder mal soo typisch. Alfie ärgerte sich. Das Gute: In einem so schmalen Körper wie dem von Alfie gab es nicht genug Platz für zwei Emotionen. Seine Todesangst wurde von seinem aufkeimenden Ärger verdrängt.
    Er zog die Windjacke nach unten, an der ihn der Blaumann gepackt und gerettet hatte, und marschierte mit seinem Einkaufstrolley, dessen Griff er während des halbsekündigen Höllenritts krampfhaft umklammert gehalten hatte, zur nächstgelegenen Zugtür, die ihn geradewegs ins Bistro des Eurocity führte.
    Er hörte den Anzugträger noch rufen: „Kein Dankeschön für den Retter? Ts, ts, ts ... die Jugend von heute!“
    Die ganze Strecke bis zum ersten Halt in Rosenheim schämte sich Alfie daraufhin, dass er seinem Retter nicht gedankt hatte. Er konnte nur hoffen, dass das Karma einspringen und dem Blaumann einen Sechser im Lotto bescheren würde. Oder doch wenigstens die Wiedergeburt in einer Inkarnation, in welcher er keinen Blaumann tragen musste.
    Dann setzte abrupt die Ich-bin-noch-am-Leben-Freude ein. Hatte er bis dato nur einen „Braunen“ bestellt, um den verschütteten To-Go zu ersetzen, orderte er nun auch noch ein ganzes Frühstück. Überleben machte hungrig.
    Bis Kufstein hatte er das Frühstück schon verschlungen, gewissermaßen in einem Happs. Er war sonst ein langsamer Esser, der immer mindestens dreißigmal kaute, aber die Nahtoderfahrung musste ihn verändert haben.
    Weil es nur noch zwei Haltestellen bis Innsbruck waren, blieb er trotz leergegessenem Teller im Bistro sitzen.
    Jetzt, wo er wieder durchatmen konnte und ihm die Kohlehydrate ein wohliges Gefühl bescherten, sah Alfie sich um. Um ihn herum nur alte Menschen.
    Alfie hasste alte Menschen! Senioren pflegten ihm „Jungspund“ unverlangt Ratschläge zu erteilen, Seniorinnen überkam bei seinem Anblick der Gluckenreflex und sie bemutterten ihn. Das war der Fluch des Bubengesichts. Irgendwie fühlten sich alle, ungeachtet ihres Geschlechts, bemüßigt, ihn vollzuquatschen. Das wollte er jetzt aber vermeiden, um sich auf den Termin beim Anwalt vorzubereiten. Da ... der Pensionär am Nebentisch sah ihn an. Alfie hob rasch die Speisekarte vor sein Gesicht.
    „Entschuldigen Sie ...“
    Wie hoch muss man das Teil halten, damit selbst die veralzheimertsten Mitreisenden kapierten, dass man nicht angesprochen werden wollte? Er hätte sich nicht ins Bordbistro setzen dürfen.
    Sämtliche Vorbehalte, die er gegen das Reisen hegte, waren aufs Grässlichste bestätigt worden.
    „Entschuldigen Sie ...“
    Die gute Erziehung durch die Hand seiner Großmutter setzte ein. Alfie senkte die Speisekarte.
    „... Verzeihung, wenn Sie wissen, was Sie bestellen möchten, würden Sie mir dann kurz Ihre Speisekarte überlassen? Auf meinem Tisch gibt es keine.“ Der Pensionär lächelte freundlich.
    Alfie nickte, reichte die Karte hinüber und sah dann angelegentlich aus dem Fenster.
    Jetzt erst bemerkte er die Berge. Sie mussten schon in Österreich sein. Seine erste Auslandsreise. Wie schön!
    Alfie wähnte sich im Glück. Das war voreilig. Natürlich.
    Denn dann kam Innsbruck.
    Wobei die Stadt gar nichts dafür konnte. Aber von Innsbruck aus ging es mit der Karwendelbahn weiter. Linkerhand sehr viel Blick. Auf Berggipfel. Doch nun war es nicht länger der Blick von unten, vom Tal, sondern der Blick aus einem Zug, der sich unaufhaltsam in
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