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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi
Autoren: Tatjana Kruse
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vorlesen würde – Wie lange konnte das schon dauern? Fünfzehn Minuten? –, und er dann mit den Kontozugangsdaten oder der echt goldenen Büste von Mao Tse-tung oder was immer ihm sein Onkel vermacht hatte einfach in den nächsten Zug steigen und wieder nach Hause fahren konnte. Wo, so es die Schicksalsgöttinen ausnahmsweise gut mit ihm meinten, der gehörnte Schröpp seinen Zorn vergessen hatte. Nun ja, was soll man sagen, Alfie war schlicht gestrickt und glaubte bis zum Beweis des Gegenteils immer irgendwie an das Gute ...
    Nachdem seine Windjacke der Dauerbenieselung nachzugeben drohte – sie nässte schon durch –, löste Alfie sich aus seiner Salzsäulenerstarrung, drehte sich um und entdeckte ein Café. Das Café Platzhirsch, um genau zu sein, wo man überdacht und in Decken gehüllt draußen sitzen konnte.
    Alfie bestellte eine heiße Schokolade, die auch gleich darauf in einer mit Hirschen verzierten Tasse und mit dicker Sahnehaube sowie mit einem freundlichen „Bitteschön“ serviert wurde. Alfie, der noch nie in Österreich gewesen war und darum voll gängiger Vorurteile und halbiertem Halbwissen steckte, hatte erwartet, dass der Kellner mit Schmäh wienern würde, quasi in einer Mischung aus Peter Alexander und Hans Moser, womöglich halb gesungen und halb gegrantelt. Aber der Kellner sprach ganz normal.
    Das Schöne an Alfie war jedoch wiederum, dass er die Gegebenheiten des Lebens rasch akzeptierte und nicht hinterfragte. Das Leben in Tirol war also keine Realo-Operette. Auch gut.
    Während Alfie die Sahnehaube miniportionsweise mit dem Kaffeelöffel in seinen Mund schaufelte, hätte er darüber nachdenken können, was ihm sein Onkel Matze vererbt haben mochte. Jeder andere hätte das getan. Alfie war nicht wie jeder andere.
    Er beäugte die Touristen, die trotz des suboptimalen Wetters zuhauf durch den Ort schlenderten. Viele junge Eltern mit Kinderwagen, mehrere sichtlich arabische Gäste mit verschleierten Frauen und auch viele, ja signifikant viele Pensionäre. Mehr oder weniger gut zu Fuß, mit und ohne Rollator, von sehr schick bis zum prolligen Bustouristen aus München, der „Seefeld an einem Tag“ inklusive Mittagstisch (ohne Getränke) für zehn Euro gebucht hatte. Alfie seufzte. Seine Großmutter hatte diese Busreisen geliebt! Diverse Heizdecken und ein 26-teiliges Teeservice mit falschem Blattgoldbezug legten noch heute Zeugnis davon ab.
    Dass die Gesellschaft allmählich überalterte, ließ sich nun wirklich nicht leugnen. Hier schon gleich gar nicht.
    Eine Stunde später kam der Kellner vorbei und hüstelte verhalten. „Darf es noch etwas sein?“
    Alfie überdachte seine finanzielle Lage. „Danke, nein ... äh ... zahlen bitte.“
    Nachdem er seine Rechnung beglichen hatte, fühlte Alfie sich bemüßigt, das Café zu verlassen, damit ein anderer zahlender Gast an seinem Tisch Platz nehmen konnte.
    Gemächlich schlenderte Alfie nach links, vorbei an der Speckstube, der Benediktiner Seifenmanufaktur und dem Pferdedroschkenstand, bis er an eine Kreuzung kam, fand, diese Richtung ausreichend erkundet zu haben, und umdrehte. Er kehrte zurück zum Dorfplatz, dann von dort aus nach links, an diversen Hotels vorbei bis zur Olympiahalle mit integriertem Schwimmbad und Kino. Dann wieder zurück zum Dorfplatz. Ein bisschen wirkte er in seiner spottbilligen, weil vermutlich von chinesischen Kindern mundgeklöppelten Windjacke und dem vollgepackten Einkaufstrolley im Schlepptau wie ein Obdachloser, der für die Nacht ein Dach über dem Kopf suchte. Manch ein Tourist warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Hätte Alfie einen Coffee-to-go-Becher in der Hand gehalten, wäre bestimmt mancher Euro darin gelandet.
    Unschlüssig verharrte er an der Ecke vor dem Tourismusbüro. Und in diesem Moment, kurz bevor er zu dem Schluss kam, dass es keinen weiteren pulsierenden Kern von Seefeld mehr gab, den er entdecken konnte, nur noch die ferienhausdurchsetzten Randgebiete, schlug die Kirchenglocke 15 Uhr.
    Showtime!

4
Matzes letzter Wille
    Leichenstille.
    Metaphorisch gesprochen. Gewissermaßen aber auch buchstäblich, weil Onkel Matze ja tot war und irgendwo verrottete – und das höchstwahrscheinlich still und leise.
    Eine unscheinbare Büromaus hatte Alfie in ein steril wirkendes Arbeitszimmer geführt. Dort saß er nun und wartete.
    Und wartete.
    „Es kann jetzt nicht mehr lange dauern“, vermeldete die graue Büromaus, als sie Alfie einen Kaffee brachte, den er gar nicht bestellt hatte, aber
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