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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Autoren: Yang Jisheng
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Faktor. In einem demokratischen System gibt es einen normalen Mechanismus für den Wechsel des Führungspersonals, aber in einer Despotie sind die obersten Führungspersonen umgeben von Speichelleckerei und Intrigen, ihr Wechsel geht immer mit Brutalitäten und Blutvergießen einher. Und wer die mächtigste Position innehat, fühlt sich oft, als sitze er auf einem Vulkan (Cao Cao sagte einmal, wenn er Kaiser werden würde, das wäre so, als würde man ihn in einen Ofen schieben). Mao Zedong, der mit der Geschichte der chinesischen Despotie vertraut war, war natürlich den Leuten in seiner Umgebung gegenüber misstrauisch und auf der Hut.

Von der Revisionismuskritik zum Fundamentalismus
    Das oberste Credo der Kommunistischen Partei Chinas war der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. Sie verlangte nicht nur von ihren Mitgliedern, entschlossen an den kommunistischen Idealen festzuhalten, sie hat auch sämtliche Chinesen nach diesen Idealen erzogen. Aber beim praktischen Aufbau der kommunistischen Gesellschaft sind diese Ideale immer wieder mit der Realität kollidiert. Seit den 50er Jahren sind auf der obersten Führungsebene der KPCh zwei unterschiedliche Meinungen aufgetreten: Soll man festhalten an der reinen Lehre des Kommunismus oder aufgrund der Realität einige Revisionen vornehmen? Soll man raschestmöglich den Sozialismus aufbauen oder nach der jeweiligen realen Situation schrittweise vorgehen? Die Beschlüsse der achten Vollversammlung von 1956 gaben den Idealen den Vorrang vor der Realität. Mao Zedong hat auf der dritten Tagung der achten Vollversammlung ohne vorherige Diskussion mit dem Zentralkomitee die ursprünglichen Beschlüsse der achten Vollversammlung gekippt, anschließend die Drei Roten Banner aus Generallinie, Großem Sprung nach vorn und Volkskommunen vorgeschlagen, um so die Geschwindigkeit für den Eintritt in den Kommunismus zu forcieren. Die Wurzeln der dreijährigen Hungersnot liegen in einer Forcierung der kommunistischen Ideale mit Mitteln eines totalitären Systems und des Klassenkampfs.
    Nach der Hungersnot konnte man die Kommunistische Partei im Großen und Ganzen in zwei Fraktionen aufteilen: Die erste wollte sich von den Idealen des Kommunismus zurückziehen und tun, was die Realität verlangte, das war die »pragmatische Fraktion«; die andere hielt weiter an einer durch politischen Kampf forcierten Umsetzung der kommunistischen Ideale fest, die konnte man als die »idealistische Fraktion« bezeichnen. Natürlich ist das eine vereinfachende Aufteilung, die Fronten waren auch nicht so klar definiert. Sobald die pragmatische Fraktion bei irgendwelchen Dingen den Idealen den Rücken kehrte, stellte sich das Gefühl ein, im Unrecht zu sein; die idealistische Fraktion, die mit ihren Idealen immer wieder gnadenlos gegen die Realität prallte, hatte stets, wenn sie ihre Ideale zu bewahren suchte, einen Feindkomplex und das Gefühl, der Klassenkampf sei in einer Krise.
    Unter den damaligen politischen Bedingungen Chinas war die pragmatische Partei in der schwächeren Position, aber immer wenn die idealistische Fraktion ein wirtschaftliches Chaos angerichtet hatte, mussten sie die Pragmatiker heranlassen, um die Lage wieder in Ordnung zu bringen. In diesem Prozess hat sich die pragmatische Fraktion immer weiter von den Idealen entfernt, so dass die idealistische Fraktion sich mehr und mehr gefährdet sah.
    Die mächtigste Waffe gegen die pragmatische Fraktion in den Händen von Mao Zedong war, sie des Revisionismus zu zeihen. Zur gleichen Zeit, als er auf der zehnten Vollversammlung des Zentralkomitees den Klassenkampf betonte, hat er auch den »Revisionismus« verurteilt.
    Schon die Zweite Internationale hatte die russische Oktoberrevolution und das von ihr errichtete System kritisiert. Lenin bezeichnete die Zweite Internationale als revisionistisch und seither war das ein abwertender Begriff. Die Verurteilung des Revisionismus hatte neben den Postulaten des politischen Kampfes innerhalb Chinas durchaus auch damit zu tun, dass Mao Zedong versuchte, die Führungsposition bei der Komintern an sich zu reißen.
    Mitte der 50er Jahre hat der Sieg gegen Amerika im Koreakrieg dazu geführt, dass China eine nicht mehr zu übersehende militärische Macht in Asien wurde. Der erste Fünfjahresplan hat die industrielle Basis geschaffen für eine erste Modernisierung der chinesischen Volkswirtschaft und die »befriedende Lösung« der Vorfälle in Polen und Ungarn [927]   , was auch auf ein
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