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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Autoren: Yang Jisheng
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September 1963 und März 1964 wurden neun Artikel verfasst, in denen »Chruschtschows Revisionismus« kritisiert wurde (kurz: »Die Neun Kritiken«). »Die Neun Kritiken« wurden in der Renmin ribao und in der Zeitschrift Hongqi veröffentlicht, die Zentrale Radiostation sendete sie mit martialischem Tonfall im ganzen Land und pflanzte sie in die Herzen der Menschen.
    »Die Neun Kritiken« trieben die Linie der KPCh zum Linksextremismus. Von heute aus gesehen war der Hauptgedanke der Kritik am Revisionismus nichts anderes als ein marxistischer Fundamentalismus, den man ab 1958 in China umsetzte. Nach dem Scheitern des Großen Sprungs nach vorn hat die Kulturrevolution in noch wahnwitzigerer Weise diesen marxistischen Fundamentalismus in die Tat umgesetzt.
    Gleichzeitig ist dieser Fundamentalismus in einem kleinen Land an der Südflanke Chinas sehr populär geworden, im Kambodscha von Pol Pot. Das war ein großer revolutionärer »Exporterfolg« für Mao. Er war sehr zufrieden mit seinem Schüler Pol Pot und lobte: »Ihr macht das sehr gut. Was wir gerne getan hätten und nicht getan haben, das habt ihr erreicht.« [930]   Doch Mao wusste zu der Zeit noch nicht, dass die Kommunistische Partei von Pol Pot (im Ausland nur als die Roten Khmer bezeichnet) in den wenigen Jahren, die sie an der Macht waren, ein Drittel der Einwohner ihres Landes ermorden würden.
    Seit dem Großen Sprung nach vorn ist es immer wieder zum Kampf zwischen der pragmatischen und der idealistischen Fraktion gekommen. Der Graben zwischen ihnen wurde immer tiefer, der Kampf immer dramatischer, und am Ende führte er zur Kulturrevolution. In dieser Zeit wurden die Ideen der idealistischen Fraktion ins Extrem und gleichzeitig in die Selbstzerstörung getrieben. Ende des 20. Jahrhunderts hat die Fahne des Kommunismus im In- wie im Ausland den Glanz früherer Tage eingebüßt. Um eine Krise zu vermeiden, hat die pragmatische Fraktion nach Maos Ableben China auf den Weg der Öffnung und der Reformen gebracht.
    Diese neue Politik hat zu einer zuvor nie dagewesenen Entwicklung der chinesischen Wirtschaft geführt, die Glaubenskrise allerdings noch weiter verschärft: Die Mehrzahl der Chinesen, sogar recht viele innerhalb der Kommunistischen Partei, glauben nicht an den Kommunismus. Aber die Machthaber wagen es immer noch nicht, an dessen Ideale zu rühren. Denn wenn man die kommunistische Fahne aufgibt, dann verliert die Kommunistische Partei ihre Herrschaftslegitimation. Der einzige Ausweg, der ihr bleibt, ist es, mit der Theorie von der »ersten Phase des Sozialismus« den Kommunismus in eine unerreichbare Zukunft zu rücken.
    Die Ideale, die man dem ganzen Volk aufgezwungen hat, beiseitezulegen, ist wirklich keine gute Sache. Die Herrschenden formen mittlerweile die Zukunft des Landes und das Handeln der Menschen nicht mehr nach irgendwelchen Idealen, sondern richten als erfolgreiche Manager der Gesellschaft ihren Blick auf die Realität. Das ist ein gewaltiger Fortschritt. Aber die herrschende Gruppe, die die Gesellschaft managt, muss in ihrer Macht von den Volksmassen beschränkt werden, der Maßstab für die Ergebnisse ihrer Arbeit muss die praktische Erfahrung der Massen sein, die nur über Wahlzettel zum Ausdruck kommen kann.
    Es ist offensichtlich, dass solch ein System ein demokratisches System wäre. Aber einige Personen, die die Macht in Händen halten, verweigern dem Volk ein demokratisches System. Ihr Hauptziel ist der Machterhalt der Kommunistischen Partei und der Erhalt ihres Profits. Das ist ganz offensichtlich nicht sehr vernünftig.
    Von der politischen Praxis und den Entwicklungstendenzen nach Deng Xiaoping her braucht China ein demokratisches System.
    Aber wir dürfen nicht zu optimistisch sein. Gustave Le Bon sagt:
Es dauert sehr lange, bis ein Begriff in den Köpfen der Massen verwurzelt ist und auch die Zeit, die es dazu braucht, um ihnen einen Gedanken zu entreißen, ist kaum zu verkürzen. Deshalb hinken die Massen begrifflich ihren Doktoren und Philosophen immer um einige Generationen hinterher. Heute ist es allen Stammtischpolitikern vollkommen klar, dass sich in die grundlegenden Begriffe, die sie beherrschen, einige Fehler eingeschlichen haben, aber dennoch ist der Einfluss dieser Begriffe immer noch sehr groß, und auch ihnen bleibt nichts anderes übrig, als nach den Prinzipien der Evangelien, an die sie längst nicht mehr glauben, zu herrschen. [931]  
    Deshalb braucht es noch sehr lange, bis in China ein modernes
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