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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille
Autoren: Tess Gerritsen
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Mann zu finden, der mich liebt. Der zu mir steht, was auch immer geschieht.« Sie atmete tief ein und hob den Kopf. Dann setzte sie sich auf. »Hier habe ich ein neues Leben begonnen. Ich bekam meine Kinder, und Joe und ich haben zusammen diese Hütten gebaut, haben unser Geschäft aufgebaut. Ich dachte, wenn ich mich nur für immer hier verstecken könnte, wäre ich schon glücklich.«
    Vom See her drang fröhliches Lachen herüber, und sie sahen Will und seine Schwester in Badekleidung den Landungssteg entlangrennen. Sie sprangen aus vollem Lauf ab, und das Lachen wurde zu einem Kreischen, als sie ins kalte Wasser klatschten. Susan erhob sich aus dem Schaukelstuhl und starrte zu ihren Kindern hinüber, die fröhlich im See planschten.
    »Samantha ist jetzt neun. Genauso alt wie ich damals, als es anfing. Als mein Vater das erste Mal in mein Schlafzimmer kam.« Susan wandte Jane den Rücken zu, als wollte sie nicht, dass diese ihr Gesicht sah. »Man denkt, man könnte den Missbrauch irgendwann hinter sich lassen, aber das gelingt einem nie. Die Vergangenheit ist immer da und wartet darauf, dich in deinen Albträumen zu überfallen. Sie taucht auf, wenn du es am wenigsten erwartest. Wenn du Gin und Zigarren riechst. Oder nachts deine Schlafzimmertür knarren hörst. Auch nach all den Jahren quält er mich immer noch. Und als Samantha neun wurde, da wurden die Albträume schlimmer, weil ich mich selbst in ihrem Alter sah. So unschuldig, noch unberührt. Ich dachte an das, was er mir angetan hatte und was er mit Laura gemacht haben mochte. Und ich fragte mich, ob es noch andere Mädchen gab, andere Opfer, von denen ich gar nichts wusste. Aber ich wusste nicht, wie ich ihn zu Fall bringen sollte, so ganz auf mich gestellt. Ich hatte nicht den Mut.«
    Draußen kletterten Will und Samantha wieder auf den Steg, lachten und schüttelten sich trocken. Susan legte die Hand auf das Fliegengitter, als ob sie aus dem Anblick ihrer Kinder Kraft schöpfte.
    »Und dann, am dreißigsten März«, sagte Susan, »schlug ich den Boston Globe auf.«
    »Sie sahen Iris Fangs Anzeige. Über das Massaker im Red Phoenix.«
    » Die Wahrheit ist nie ans Licht gekommen «, flüsterte Susan. »So stand es in der Anzeige. Und plötzlich wusste ich, dass ich nicht allein war. Dass noch jemand nach Antworten suchte. Und nach Gerechtigkeit strebte.« Sie drehte sich zu Jane um. »Da brachte ich endlich den Mut auf, Detective Ingersoll anzurufen. Ich kannte ihn, weil er die Ermittlungen zum Massaker im Red Phoenix geleitet hatte. Ich erzählte ihm von Lauras Anhänger. Von meinem Vater und Mark. Ich sagte ihm, dass es noch mehr verschwundene Mädchen geben könnte.«
    »Deswegen fing er also an, Fragen über die Mädchen zu stellen«, sagte Jane. Fragen, die ihn in Gefahr gebracht hatten, weil Patrick irgendwie erfahren hatte, dass Ingersoll Beweise sammelte; Beweise, die ihn nicht nur mit verschwundenen Mädchen, sondern auch mit dem Red Phoenix in Verbindung bringen würden. Er musste annehmen, dass Iris Fang dahintersteckte, weil sie die Anzeige im Globe geschaltet hatte. Sie hatte nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihren Mann verloren. Wenn er Iris und Ingersoll aus dem Weg räumte, wäre das Problem aus der Welt geschafft. Deshalb hatte Patrick Profikiller angeheuert. Aber die Killer hatten den Gegner unterschätzt, mit dem sie es zu tun hatten.
    »Ich hatte schreckliche Angst, dass mein Vater mich finden könnte«, sagte Susan. »Ich bat Detective Ingersoll, niemals irgendetwas zu sagen, was zu mir zurückverfolgt werden könnte. Er versprach mir, dass nicht einmal seine eigene Tochter erfahren würde, woran er arbeitete.«
    »Er hat Wort gehalten. Wir hatten keine Ahnung, dass Sie es waren, die ihn engagiert hatte. Wir nahmen an, es sei Mrs. Fang gewesen.«
    »Wenige Wochen später rief er mich an. Er sagte, wir müssten uns treffen, und er fuhr zu uns herauf. Er erzählte mir, er habe ein Muster entdeckt. Er war auf die Namen von drei Mädchen gestoßen, die mich vor ihrem Verschwinden getroffen haben könnten. Mädchen, die am gleichen Tennisturnier oder dem gleichen Musiktreffen teilgenommen hatten. Wie sich herausstellte, war ich die Verbindung. Ich war der Grund, weshalb sie ausgewählt wurden.« Ihre Stimme versagte, und sie sank wieder in den Schaukelstuhl zurück. »Ich habe hier oben mein Leben gelebt, mit meinen Kindern, weitab von jeder Gefahr. Ich wusste nicht, dass es noch andere Opfer gab. Wenn ich nur mutiger gewesen wäre,
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