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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub)
Autoren: Tanja Pleva
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Stoffpantoffeln und schwebten zehn Zentimeter über dem Boden.
    Heute war Frau Dileilah nicht so richtig bei der Sache. Sie war irgendwie unkonzentriert.
    Sie hatte heute ein Erlebnis gehabt, das sie plötzlich an der Richtigkeit ihrer Séancen zweifeln ließ. War die Vermittlung zwischen Lebenden und Toten moralisch verwerflich? Aber nein, die Toten würden nicht zu ihr sprechen, wenn ER, Gott, da oben es nicht gutheißen würde. Sie half Menschen über ihre Trauer hinweg, wenn ein Verwandter gestorben war, der Partner oder das eigene Kind. Sie kannte diesen Schmerz nur zu gut, denn vor drei Jahren war ihr Mann von ihr gegangen und hatte sie auf dieser Welt allein zurückgelassen.
    Frau Dileilah sah von der großen Standuhr in der Ecke desZimmers, die auf halb neun stand, zu dem gut aussehenden Mann, der ihr gegenübersaß und der Kontakt mit einem toten Verwandten aufnehmen wollte.
    Seine Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen. Welche Farbe hatten sie nur? Blau, grün oder grau? Im Schein der beiden Kerzen auf dem Tisch war die Farbe nur schwer zu erkennen. Er saß still vor ihr, die Hände auf dem Tisch gefaltet, und es schien, als habe er eine imaginäre Mauer um sich herum gezogen, um bloß nichts von sich preiszugeben. Sie hatte so etwas schon ein paar Mal erlebt, es war so eine Art Test der Kunden, um zu sehen, ob sie auch keine Betrügerin war. Manche brauchten Zeit, um sich zu öffnen. Deshalb drang sie nicht in den Mann, sondern legte die gemischten Legrand-Wahrsagekarten in Neunerreihen vor sich aus. Das war das Einführungsritual und sollte ihr ein paar Informationen geben über die Person, die sie aufsuchte.
    Als der ganze Stapel ausgelegt war, besah sie sich die Karten rund um die Karte in der Mitte, die für ihren Besucher stand.
    Â»Ja, in der Tat. Sie haben einen sehr schweren Verlust erlitten, der Sie tief erschüttert hat«, sagte sie behutsam und suchte in seiner Haltung eine Bestätigung für ihre Aussage, doch er zeigte keine Regung, saß da wie eine Statue aus Stein.
    Die Karten zeigten den Tod. Seinen Tod? Oder den eines anderen Menschen? Genau konnte sie das nicht sehen. Allerdings würde sie ohnehin niemals einem Kunden den Tod vorhersagen. Das war ein unausgesprochenes Tabu in weiten Teilen ihrer Branche, obwohl es einige Kartenlegerinnen gab, die es taten. Ein Schauer lief ihr den Rücken herunter, und auf ihren nackten Armen stellten sich die Härchen auf. »Sie werden in Kürze eine junge Dame kennenlernen.« Jetzt sah sie es deutlicher. Sollte sie es aussprechen oder lieber für sich behalten? »Diese Frau ist Ihr Karma, sie …«, weiter kam sie nicht, denn plötzlich war der Mann mit einem Satz hinter ihr.
    Das Messer in seiner Hand grub sich in das Fett an ihrem Hals, und dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Ich bin hier, um deine beschissene Seele zu retten.«

    Der Schreck fuhr so tief in sie, dass sie nicht einmal mehr schreien konnte. Sie war wie paralysiert. Sie merkte nur, wie etwas um sie herumgewickelt wurde, das ihr die letzte Luft nahm. Schon durch ihr eng geschnürtes Korsett lebte sie immer mit einer gewissen Kurzatmigkeit, aber jetzt hatte sie das Gefühl, dass ihr der Sauerstoff gänzlich genommen wurde. Sie wagte einen Blick nach unten und sah, dass er sie mit einem Seil gefesselt hatte.
    Â»Wenn Sie Geld wollen, es ist in der Standuhr dort drüben. Bitte tun Sie mir nichts.« Sie fing an zu wimmern.
    Â»Halt’s Maul«, sagte er kalt, holte aus seinem Rucksack, den er neben sich gestellt hatte, eine Schere und eine Rasierklinge und begann mit seinem göttlichen Werk. Den geflochtenen Zopf, der wie eine Schlange um ihren Kopf geschlungen war, schnitt er als Erstes ab. Dann widmete er sich dem Rest. Immer wieder tauchte die Schere in das Haar, traf auf die Kopfhaut und schnappte wie ein hungriges Krokodil zu. Dann schabte er mit der Rasierklinge die kurzen Stoppeln ab und ritzte dabei unaufhörlich in ihre Kopfhaut. Anschließend begann er mit der Beschwörungsformel.
    Â»Im Namen und in der Kraft unseres Herrn Jesus Christus beschwöre ich dich, du unreiner Geist, satanische Macht der diabolischen Legion. Du sollst ausgerottet und ausgetrieben werden.« Mit der linken Hand machte er ein Kreuzzeichen über ihrem Kopf. »Hinterlistige Schlange, du sollst nicht weiter das Menschengeschlecht täuschen.« Wieder ein Kreuz. »Dich bändigt Gott, der
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