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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub)
Autoren: Tanja Pleva
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alt, hatte als Kassiererin in einem Supermarkt gearbeitet und in einer kleinen Wohnung in der Nähe des Stadtzentrums gewohnt.
    Ihre Nachbarn meinten, sie hätte viel Besuch gehabt, Männer und Frauen. Besonders am Wochenende. Ob sie nebenbei als Prostituierte gearbeitet hatte, konnte keiner genau sagen, auch nicht, ob sie in festen Händen gewesen war. Eine ziemlich unscheinbare Person. Dunkle, glatte Haare, ohne besonderen Schnitt. Braune Augen, ein schmaler Mund und eine kleine, leicht nach unten gebogene Nase, die mit Sommersprossen übersät war.
    Ihrem Aussehen nach hielt es Sam eher für unwahrscheinlich, dass sie als Prostituierte gearbeitet haben könnte – obwohl gerade die unscheinbarsten Frauen oft zu den beachtlichsten Verwandlungen in der Lage waren, die man niemals für möglich gehalten hätte.

    Er sah sich ein paar Aufnahmen von ihrem Zwei-Zimmer-Apartment an. Auf dem ersten Foto war ein einfacher Holzstuhl in der Mitte eines Raumes zu sehen, auf dem Boden um den Stuhl herum lagen abgeschnittene dunkelbraune Haare. Ein Holztisch stand an der Wand, offensichtlich war er beiseitegeschoben worden, um den Stuhl ins Zentrum des Zimmers zu stellen. Auffallend viele Kerzenleuchter standen im Raum verteilt. Das weiße Wachs der heruntergebrannten Kerzen hing wie Stalaktiten von den gusseisernen Leuchtern. Im Hintergrund erkannte Sam ein kleines dunkelblaues Sofa, einen Fernseher und auf der Fensterbank getrocknete Blumen in bunten Keramikkrügen. Der zweite Raum, das Schlafzimmer, war unberührt. Das Bett war ordentlich gemacht, die Gardinen passten farblich zur Überdecke des Bettes. In der Ecke stand eine alte Schminkkommode mit Spiegel, auf der diverse Parfumflakons in Reih und Glied aufgestellt waren.
    Sam betrachtete noch einmal das erste Foto. Der Holztisch, daneben ein kleiner Beistelltisch, ebenfalls aus Holz. Ein Stapel Karten und ein Buch. Was für ein Buch es war, konnte man nicht erkennen. Es gab sonst keine Anzeichen dafür, dass sie viel gelesen hatte. Über dem Fernseher hing ein kleines Regal mit vier Büchern. Wieder besah er sich das Foto von der Frau. Warum hatte sie so auffällig viel Besuch empfangen? Vielleicht war sie einfach nur eine sehr kontaktfreudige Person gewesen? Doch dass ihre Kolleginnen aus dem Supermarkt kaum genaue Angaben über sie gemacht hatten, sprach dagegen.
    Ein weiteres Foto zeigte die nackte, halb verbrannte Leiche von Gianna Lorenzo. Die Hitze hatte die Muskulatur der Beine schrumpfen lassen, sodass sie gekrümmt waren wie bei einem Affen. Der Körper lehnte an einem Laternenpfahl, der kahl geschorene Kopf hing seitlich nach unten und war übersät mit Wunden und schwarzem, getrocknetem Blut. Um die Leiche herum lag aufgestapeltes, verkohltes Holz. Er schob das Foto unter die anderen und nahm eine Nahaufnahme des Oberkörpers in die Hand. Sam konnte nicht glauben, was er da sah. Ihm wurde übel. Er schluckte den aufkommenden Brechreiz hinunter,lehnte seinen Kopf nach hinten und schloss für einen Augenblick die Augen.
    Das kalte Wasser aus dem halb verrosteten Wasserhahn verfehlte seine erfrischende Wirkung nicht. Sam war mit einem Schlag hellwach. In diesem Moment läutete das Zimmertelefon. Er sah mit tropfendem Gesicht auf die Uhr, zog ein kleines Handtuch, das sich wie Krepppapier anfühlte, von der Stange und ging zum Telefon.
    Â»Ja?«
    Â»Signore O’Connor, es ist ein Uhr. Ich warte an der Rezeption auf Sie.« Nina Vigna hatte zu dem heißblütigen Körper auch noch eine leicht rauchige Stimme, die die Phantasie jedes Mannes beflügeln musste. Sam legte auf und überlegte, ob er seinen Charme spielen lassen sollte. Wie lange hatte er keinen Sex mehr gehabt? Seine Beziehungen in den letzten Jahren hatten meist kaum länger als drei Monate gehalten, was wohl eher an ihm lag als an den Frauen. Was Lily an Emotionalität zu viel hatte, hatte er zu wenig. Tiefe Gefühle zu äußern lag ihm nicht. Hinzu kam, dass er in seinem Alter häufig Frauen um die dreißig kennenlernte, die schnell Nägel mit Köpfen machen wollten. Das ging von Fragen zu seinem Gehalt, der Idee, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen, bis zu Äußerungen der Art, er würde einen guten Vater abgeben.
    Mit nassen Händen strich er sich eine gewellte Haarsträhne aus dem Gesicht, zog einen frischen schwarzen Rollkragenpullover und seinen halblangen schwarzen Ledermantel an und
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