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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst
Autoren: M Gardiner
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Seuchen der Endzeit vorbereiten!«
    Wyoming wischte sich die Stirn. Mit seinen erhitzten Wangen, den geröteten Händen und dem scharlachroten Chor hinter sich hatte er etwas von einer Alarmleuchte. »Satan bereitet sich auf den Krieg vor. Und wer soll ihn bekämpfen? Vielleicht die Vereinten Nationen?«
    »Diese ausländischen Schwuchteln!«, schrie ein Mann. »Die stecken doch mit ihm unter einer Decke!«
    »Wer also? Wer wird sich ihm in den Weg stellen?«
    »Niemand. Alle werden sterben!«
    »Genau. Weil niemand Satan bekämpft. Niemand« – Wyoming legte eine Pause ein -, »niemand außer uns, den Standhaften, den reinen Söhnen und Töchtern des Herrn.«
    »Amen!«, kam es aus der Menge. Wyoming fuhr fort. »Glücklicherweise haben wir den Schlachtplan des Satans erkannt.« Er stieß die Bibel über seinen Kopf. »Hier steht alles drin. Wir wissen, was bevorsteht.«
    Konzentrierte Zustimmung. »Erzählen Sie es uns, Pastor Pete!«, rief eine Frau.
    »Leid wird über die Welt kommen. Schreckliches, schreckliches Leid.«
    Die Gemeinde hielt die Luft an, sie wollten wissen, wie schrecklich genau es werden würde. Auf mich wirkten sie wie die Passagiere einer Achterbahn, die sich auf die erste Talfahrt vorbereiten. Wyoming schlug eine neue Bibelpassage auf.
    »Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: Der Tod … Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger und Pest und durch die wilden Tiere auf Erden.«
    Natürlich, das hatte noch gefehlt. Er hatte sich Zeit gelassen, hatte sich die ganz große Nummer bis zum Schluss aufgehoben: die Offenbarung, des wahren Eiferers Lieblingslektüre.
    »Ein Viertel der Erde, das sind eine Milliarde und fünfhundert Millionen Tote. Stellt euch vor, wie sich die Toten wie Holzscheite in den Straßen von London und Paris stapeln. Stellt euch vor, wie aufgedunsene Leichen die Strände von Santa Barbara überfluten.«
    Ihren verkniffenen Gesichtern nach taten seine Zuhörer das gerade. Manche schüttelten den Kopf, andere nickten beifällig: Das geschieht den Sündern recht. Obwohl mir kalt war, brannte mir der Schweiß auf der Stirn.
    »Und wenn dann Tieflader mit stinkenden Leichen durch die Straßen fahren, was werden die Leute tun? Sie werden winseln: ›Rette mich!‹« Wyoming machte eine affektierte Bewegung mit dem Handgelenk. »Aber nicht beim Herrn werden sie Hilfe suchen, sie werden sich an den starken Mann wenden, der verspricht, sie zu retten. Den Antichrist. Ja, sie werden sich an den Teufel wenden. Die unreinen Menschen dieser Welt werden ihm geradewegs in die Arme laufen. Und das schon bald.« Er zeigte auf die Schaufenster. »Der Teufel ist da draußen. Gerade jetzt bereitet er sich auf die Machtübernahme vor. Und das ist die eiskalte, hässliche Wahrheit, meine Freunde.«
    Ein Ruck ging durch die versammelte Gemeinde – fast wie La Ola in einem Stadion.
    »Aber jetzt fangt bloß nicht an nervös zu werden. Die Heilige Schrift lehrt uns, dass wir Ausdauer zeigen müssen. Das bedeutet, wir müssen unseren ganzen Mut zusammennehmen, dranbleiben und den Feind bekämpfen. Und falls Satan mit einem Hippie-Jesus rechnet, der ihm die andere Wange hinhält, dann wird er sein blaues Wunder erleben. Jesus ist kein Schwächling. Er wird die Völker niederschlagen und mit eisernem Stabe über sie herrschen.«
    Wieder ballte er seine Faust. »Mit eisernem Stabe.«
    Die Majoretten kamen mit einer großen Schriftrolle zurück auf die Bühne gesprungen. In einer schwungvollen Bewegung entfalteten sie ein zwei mal ein Meter großes Plakat, auf dem das Abendmahl dargestellt war – als Szene aus Platoon. Jesus und die Apostel in Kampfanzügen, mit Tarnfarbe im Gesicht und gezückten Waffen. Unter der Zeichnung stand: Er ist zurück … und dieses Mal wird er die Bibel sprechen lassen.
    Fassungslos starrte ich die Zeichnung an. Nicht weil dort ein mit Anabolika aufgepumpter Jesus mit einem M-16 in der Hand abgebildet war. Sondern weil ich erkannte: Peter Wyoming sprach nicht in Metaphern.
    Er klatschte gegen das Poster. »Wir, die Standhaften sind diese eiserne Hand. Wir werden leiden, und manche von uns werden sterben. Aber seht euch an, was wir gewinnen werden, wenn wir unseren Kampf auf die Straßen tragen: Wir werden tausend Jahre lang mit Christus herrschen.« Er reckte die Bibel in die Höhe. »Wir haben es schriftlich. Wir werden gewinnen und tausend Jahre lang die Welt beherrschen. Im
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