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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener
Autoren: Peter de Rosa
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als er Ministrant war und die lateinischen Antworten der Messe
lernte. In jenen Tagen war das Wort des Papstes der Katholizismus. Es entmutigt
ihn, daß er nun, als Papst, in vielen Dingen, die er für entscheidend hält, in
der Minderheit ist. Deshalb sieht er in dieser päpstlichen Messe nicht die
Kardinäle um sich herum, prächtig wie Flamingos — Kirchenfürsten wie den
Münchner Ratzinger mit seinen schneeweißen Haaren, seit 1982 Präfekt der
Glaubenskongregation, die früher Heilige Inquisition hieß. Der Papst ist ebenso
blind für die Farbtupfer von Rot und Lila, die Roben der Prälaten aller Stufen.
Er macht sich nicht die Mühe, auf die berstend vollen Tribünen zu schauen, wo
Botschafter, obskure königliche Hoheiten und noch obskurere Fürsten und
Fürstinnen in gold- und diamantenstarrender Pracht sitzen.
    Er sieht niemanden; niemand
sonst sieht einen anderen als ihn.
     
    »Dies ist mein Leib.« Der Papst
spricht diese Worte mit überwältigender Andacht, heute ebenso ehrfürchtig wie
vor vierzig Jahren, als er seine erste Messe las. »Dies ist mein Blut.« Jetzt
ist nicht der Stellvertreter Christi der Brennpunkt der schweigenden Gemeinde,
sondern Christus selbst. So ist es bei jeder Messe, ob sie in der einfachsten
Dorfkirche oder in einer Basilika wie St. Peter gelesen wird. Jesus Christus
ist der Herr; der Papst repräsentiert ihn und die Autorität seiner Lehre in der
heutigen Welt. Hat die Gemeinde nicht recht, wenn sie den Papst als den
freiesten, souveränsten Menschen der Welt sieht?
    In Wahrheit ist der Papst ein
Gefangener.
    Die erste Folge des
Absolutismus besteht darin, daß die, die der Quelle der Macht am nächsten
stehen, die gleiche Luft atmen wie der Monarch. Im Fall des Papstes sorgen
gesichtslose Männer, Papierkrieger, Griffelschwinger in dunklen Büros in und um
den Vatikan, daß die Sicht des Papstes der ihren entspricht. Sie füttern ihn
mit ausgewählter Information; sie verbergen alles vor ihm, was ihren Anliegen
hinderlich sein könnte. Dies sind die ersten Kerkermeister des Papstes.
    Das Zweite Vatikanische Konzil
von 1962 bis 1965 wollte die römische Kirche liberalisieren. Kaum war es
vorbei, nahmen die alten Bürokraten die Sache in die Hand; seither haben sie
sie in der Hand behalten und liberale Erlässe illiberal ausgelegt.
    Selbst das Erste Vatikanische
Konzil, das Pius IX. 1869 einberief, um sich für unfehlbar erklären zu lassen,
weigerte sich, die von der Kurie vorbereiteten Dekrete zu diskutieren. Sie
repräsentierten, sagten die Bischöfe, nicht den Glauben der Kirche, sondern den
einer einzigen, voreingenommenen theologischen Schule. Doch am Ende gewinnen
die Bürokraten immer. Sie bleiben, wenn die Liberaleren sich zerstreut haben.
Kuriale, von denen viele dieser Messe beiwohnen, haben Konzilien immer gehaßt,
weil sie es wagten, ihre Unfehlbarkeit zu bedrohen. Wie ein verbitterter
Diözesanbischof kürzlich sagte: »Die Kurie ist ein ständig tagendes
Kirchenkonzil.«
    Trotz aller scheinbaren Stärke
unterzeichnet Johannes Paul weiterhin Dokumente, die von Prälaten in der
Glaubenskongregation oder im Staatssekretariat vorbereitet worden sind. Irgend
jemand legt ihm nahe, ein bestimmter Bischof in Nordamerika sei nicht ganz
orthodox, wie die Kurie das Wort interpretiert. Wäre es nicht weise, ihn zu
überwachen?
    Dann sind da jene umfangreichen
Dossiers in der Glaubenskongregation über Theologen wie Kling aus Tübingen, Curran
aus Washington und andere vielversprechende Kleriker. Wie hält es dieser
Priester oder jener Monsignore mit Christus, mit Maria, mit der regelmäßigen
Beichte? War er in der Frage der Empfängnisverhütung jemals nachgiebig? Hat er
je an Anti-Atom-Demonstrationen teilgenommen? Sympathisiert er mit Karl Marx?
So mancher aufstrebende Kleriker kann mit einer einzigen Einflüsterung auf
Dauer niedergehalten werden. Die meisten Gifte der Kurie werden durch das Ohr
verabreicht (wie beispielsweise in Hamlet).
    Darin, so könnte man sagen,
geht es dem Papst nicht anders als jedem anderen Staatsmann, der im Netz seiner
Beamtenschaft gefangen ist. Nur, daß der Papst selbst ein Heer unsichtbarer
»Beobachter« hat, die ihn im Auge behalten.
    Ein Papst ist mehr als jeder andere
Monarch Gefangener der Vergangenheit. Die Gemeinde kann die Zeichen dafür in
seiner Kleidung sehen: in der Mitra, dem Pallium, dem Ring des Fischers. Nicht
nur die Basilika mit ihren berühmten Reliquien — selbst Kleidungsstücke zeigen,
daß der Papst selbst ein
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