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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener
Autoren: Peter de Rosa
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Geschenk der Mutter Äbtissin«, murmelte
die demütige »Schwester«. Benedikt hatte, wie jeder wußte, eine Leidenschaft
für Feigen. Ein paar Tage später war er begraben.
    Ob die Gerüchte nun wahr waren
oder nicht — die Päpste waren immer gut beraten, einen Wein-Vorkoster zu
beschäftigen und die Feigen zu untersuchen. Doch wo ist im Fall des Vorgängers
von Johannes Paul II. der Beweis? Eine Obduktion hätte die Angelegenheit
geklärt. Vielleicht ist das trotz der Dementis geschehen. Der Vatikan ist in
diesen Fragen sehr zugeknöpft.
     
    Im Konklave nach Lucianis
unerwartetem Tod 1978 wurde Karol Wojtyla gewählt. Bei seiner Inthronisation
sah er jünger aus als 58 Jahre. Jetzt sieht er älter aus als siebenundsechzig.
Seine Schultern sind runder. Er ist dünner, die Sehnen an seinem Hals treten
hervor. Seine Augen sind schmaler geworden und verraten seine slawische
Herkunft. Und sein Haar ist unter dem Käppchen zurückgegangen; seine Ohren
fallen so auf wie in seiner Kindheit.
     
    Viele Dinge haben dazu
beigetragen, ihn alt zu machen. Seine anstrengenden Reisen. Das Attentat am 13.
Mai 1981, nach dem er in einer fünfeinhalbstündigen Operation drei Liter Blut
brauchte. Die Papierarbeit, die sich täglich auf seinem Schreibtisch türmt —
»um den Papst aus den Schwierigkeiten herauszuhalten«, wie ein Berater sagte.
Und die Kurie. Ein Papst und seine Beamten überleben in bestenfalls
unbehaglichem Einvernehmen. In Johannes Paul hat die Kurie einen Oberhirten,
der am Anfang nichts von ihren Schlichen wußte.
    Geflüster — wieder die
mächtigste Kongregation — erreicht ihn in den päpstlichen Gemächern. Die
wenigen liberalen Prälaten, die in Rom überlebt haben, mögen ihn nicht wegen
seiner Haltung, die sie unnachgiebig nennen.
    Einige Konservative in seiner
Umgebung an diesem Hochfest der Apostel sind ebenfalls kritisch. In ihren Augen
hat Johannes Paul etwas fast Häretisches getan: er hat das Papsttum
entmythologisiert. Medienbilder zeigen einen Showbusiness-Papst mit Sombrero,
Papst hält Händchen mit Jugendlichen und swingt zur Rockmusik, Papst knuddelt
auf der Südhalbkugel einen etwas verwirrten Koala. Warum, fragen diese
Konservativen, bleibt er nicht im Vatikan als geheimnisvolle, ehrfurchtgebietende
Gestalt wie der alte Leo XIII., der weise genug war, die Welt durch ein Fenster
zu betrachten — und zwar ein geschlossenes, fügen sie hinzu, anders als jener
Krypto-Kommunist Johannes XXIII., der ein Fenster öffnete und einen Wirbelsturm
hineinließ?
    Der Papst ist über solches
Gerede erhaben. Seine Augen sind fest geschlossen, während er für seine gesamte
Herde betet, nicht nur die im Petersdom, sondern in der ganzen Welt. Er ist
überzeugt, daß nur seine Stimme, die Stimme Petri, stark genug ist, um die
moderne Welt davon abzuhalten, sich wie ein Lemmingszug in den Tod zu stürzen.
Er ist entsetzt über die kaltschnäuzige Gleichgültigkeit gegenüber dem
Ungeborenen. Er ist bekümmert, daß Jungfräulichkeit fast ein unanständiges Wort
geworden ist, und daß Homosexualität mittlerweile nicht nur legal, sondern
romantisch ist. Er fürchtet, daß selbst Priester und Nonnen ihre Gelübde nicht
mehr ernst nehmen. Während ein Diakon den Evangelientext vorliest, weiß er, daß
er der Fels ist: Wenigstens er muß feststehen. Irrtümer können korrigiert,
Trends umgekehrt werden, wenn nur sein Glaube standhält.
    Seine Augen sind nun
verschleiert, Schmerz sitzt in den Mundwinkeln. In diesen Tagen ist sein
Gesicht traurig, selbst wenn er—immer seltener — lächelt, als hätte die
Traurigkeit seiner Heimat Polen seine Seele durchdrungen. Beim Memento der
Messe vergißt er nie, die Lebenden und Toten seines Heimatlandes zu nennen.
    Da er Pole ist, hat er nie
erwartet, Papst zu werden. Nicht einmal, als er 1964 Kardinal wurde oder als
Paul VI. ihn 1976 dazu ausersah, für seinen Haushalt die Fastenexerzitien zu
halten, kam er auf diesen Gedanken. Das widersprach dem Lauf der Geschichte.
Nach viereinhalb Jahrhunderten war das Papsttum praktisch erblich innerhalb der
italienischen Nation. Bei jenen Fastenexerzitien hörte Karol Wojtyla die
Beichte Papst Pauls und tat zweifellos sein Bestes, um seinen Willen zu
stärken. Doch wie hätte er sich vorstellen sollen, daß er eines Tages als
Oberhirte im Petersdom das Hochamt zelebrieren würde? Seine Herkunft war:
Industriearbeiter, Bergsteiger, Amateurschauspieler, geistlicher
Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, später den
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