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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Pawlowitsch und Fet herein. Pascha trug eine Aktentasche.
    »Augenblick, ich bin gleich wieder da.« Arkadi zog seine Jacke an. »Du weißt, was zu tun ist, Pascha.«
     
    Arkadi musste auf die Strasse hinunter, um nach nebenan zur Staatsanwaltschaft zu gelangen. Der Staatsanwalt besaß ungewöhnlich große Autorität: Ihm unterstanden alle Ermittlungen von Straftaten, wobei er zugleich die Anklage wie den Angeklagten vertrat. Er genehmigte Haftbefehle, billigte oder verwarf Gerichtsurteile und veranlaßte Berufungsverfahren. In allen diesen Fragen entschied er selbständig und war nur dem Generalstaatsanwalt verantwortlich.
    Staatsanwalt Andrej Jamskoi saß hinter seinem Schreibtisch.
    Sein glattrasierter Schädel glänzte rosa - ein verblüffender Gegensatz zu seiner dunkelblauen maßgeschneiderten Uniform mit den goldenen Generalssternen. Jamskois Gesicht mit den starken Augenwülsten, der fleischigen Nase und den dicken Lippen erinnerte Arkadi an einen Neandertaler - ein Eindruck, der durch seinen überproportionierten Brustkorb und die auffällig langen Arme noch verstärkt wurde.
    »Warten Sie.« Er las weiter in der vor ihm liegenden Akte.
    Arkadi stand auf dem grünen Teppich drei Meter vor dem Schreibtisch des Staatsanwalts. An den holzgetäfelten Wänden hingen gerahmte Fotos: Jamskoi an der Spitze einer Delegation von Staatsanwälten bei Generalsekretär Breschnew, Jamskoi dem Generalsekretär die Hand schüttelnd, Jamskoi bei einem Vortrag auf einem Juristenkongreß in Paris und - ein einmaliges Bild Jamskois aus der Prawda - bei einer Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof, in der er sich für einen fälschlich wegen Mordes angeklagten jungen Arbeiter eingesetzt hatte.
    »Ja?« Jamskoi klappte die Akte zu und hob den Kopf. Seine Stimme war wie immer so leise, dass man sich konzentrieren musste, um zu verstehen, was er sagte.
    Arkadi legte seinen Bericht auf den Schreibtisch, und der Staatsanwalt überflog ihn.
    »Major Pribluda war am Tatort«, stellte er fest. »Sie haben seinen Namen nicht erwähnt.«
    »Er hat uns die Arbeit erschwert und ist dann zum Glück verschwunden. Hat er angerufen, um mich ablösen zu lassen?«
    Jamskoi warf Arkadi einen prüfenden Blick zu. »Sie sind als Chefinspektor Leiter der Mordkommission, Arkadi Wassiljewitsch. Warum sollte er Ihre Ablösung betreiben?«
    »Sie kennen die Schwierigkeiten, die wir vor kurzem mit dem Major hatten.«
    »Was für Schwierigkeiten? Der KGB hat in jener Sache lediglich seine Zuständigkeit geltend gemacht - damit war der Fall erledigt.«
    »Entschuldigung, aber heute haben wir drei junge Leute aufgefunden, die in einem Stadtpark mit einer 7.65 mm-Pistole erschossen worden sind. Moskauer können sich normalerweise nur 7.62- oder 9 mm-Armeewaffen besorgen, die keine Ähnlichkeit mit der Tatwaffe haben. Außerdem sind die Gesichter der Ermordeten verstümmelt worden. Ich habe es absichtlich vermieden, daraus irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen.«
    »Danke«, sagte der Staatsanwalt. Damit war der Chefinspektor vorerst entlassen.
    Arkadi verbeugte sich leicht und ging.
     
    Fet und Pascha hatten einen detaillierten Plan des Gorki-Parks, eine Tatortskizze, mehrere Fotos und die Autopsieberichte mit Klebstreifen an der Wand befestigt. Arkadi ließ sich auf seinen Stuhl fallen und riss eine neue Packung Zigaretten auf. Zwei Streichhölzer brachen ab, bevor das dritte brannte. Fet beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Arkadi stand auf, nahm die Fotos der Ermordeten ab und legte sie in eine Schreibtischschublade. Unnötig, sie ständig vor sich zu haben. Dann nahm er wieder Platz und spielte mit den Zündhölzern.
    »Habt ihr schon jemand vernommen?«
    Pascha schlug sein Notizbuch auf. »Zehn Leute von der Miliz, die nichts gehört oder gesehen haben. Wahrscheinlich bin ich diesen Winter beim Schlittschuhlaufen selbst mindestens zwanzigmal an der Lichtung vorbeigekommen.«
    »Dann bleiben noch die Imbissverkäuferinnen. Diese alten Frauen sehen oft mehr als die Miliz.«
    Fet war offenbar anderer Auffassung. Arkadi sah zu ihm hinüber. Da der junge Kriminalbeamte keine Pelzmütze mehr trug, fielen seine abstehenden Ohren um so mehr auf.
    »Sie sind dabei gewesen, als die letzte Kugel gefunden worden ist?« fragte Arkadi ihn.
    »Jawohl, Chefinspektor. GP1-A ist unmittelbar unter dem Hinterkopf von GP1, dem ersten Mann, entdeckt worden.«
    »Immer diese Nummern!« Pascha schüttelte den Kopf. »Gorki-Park eins? Der große Kerl? Das ist
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