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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Auch die Augen fehlten.
    So waren die Ermordeten aufgefunden worden. Lewins Assistent, ein Usbeke mit laufender Nase, war eben dabei, die Brustkörbe mit einer Handkreissäge aufzuschneiden.
    »Wie lösen Sie Mordfälle, wenn Sie den Anblick von Toten nicht ertragen?« erkundigte Lewin sich spöttisch.
    »Ich verhafte Lebende.«
    »Und darauf sind Sie wohl stolz?«
    Arkadi nahm die Karteikarten von den Seziertischen und las:
    Männlich. Europäer. Haar braun. Augen unbekannt. Alter ca. 20 - 25 Jahre. Tot seit mindestens zwei Wochen/höchstens sechs Monaten; Verwesung durch Kälteschock aufgehalten.
    Todesursache Schusswunden. Gesichtsgewebe und dritte Fingerglieder beider Hände fehlen. Zwei möglicherweise tödliche Schussverletzungen. Wunde A: Einschuss im Oberkiefer, Austritt am Hinterkopf. Wunde B: Einschuss zwei Zentimeter links des Brustbeins; Kugel GP1-B im Brustkorb aufgefunden.
    Männlich. Europäer. Haar braun. Augen unbekannt. Alter ca. 20 bis 30 Jahre. Tot seit mindestens zwei Wochen/höchstens sechs Monaten; Verwesung durch Kälteschock aufgehalten. Todesursache Schusswunden. Gesichtsgewebe und dritte Fingerglieder beider Hände fehlen. Zwei möglicherweise tödliche Schussverletzungen. Wunde A: Einschuss im Oberkiefer; Kugel GP2-A im Gesichtsschädel aufgefunden. Wunde B: Einschuss drei Zentimeter links des Brustbeins; Kugel GP2-B im linken Schulterblatt steckend aufgefunden.
    Weiblich. Europäerin. Haar braun. Augen unbekannt. Alter ca. 20 bis 23 Jahre. Tot seit mindestens zwei Wochen/höchstens sechs Monaten; Verwesung durch Kälteschock aufgehalten. Todesursache Schusswunde: Einschuss drei Zentimeter links des Brustbeins, rechter Herzvorhof und obere Hohlvene durchschlagen; Austritt zwischen dritter und vierter Rippe zwei Zentimeter links des Rückgrats.
    Gesicht und Hände wie bei GP1 und GP2 verstümmelt. Kugel G3 hinter Austrittswunde im Kleid aufgefunden. Keine Anzeichen für eine Schwangerschaft.
    Arkadi lehnte an der Wand, inhalierte, bis ihm fast schwindlig wurde, und konzentrierte sich auf die Karteikarten.
    »Wie kommen Sie auf die Altersangaben?« fragte er.
    »Das ergibt sich aus dem jeweiligen Gebißzustand.«
    »Sie haben also ein Zahnschema aufgestellt?«
    »Richtig, aber damit ist nicht viel anzufangen. Der zweite Tote hat eine Stahlkrone.« Lewin zuckte mit den Schultern. Der Usbeke gab Arkadi drei ausgefüllte Zahnschemata und eine Schachtel mit teilweise zersplitterten Vorderzähnen, die wie die Kugeln bezeichnet waren.
    »Einer fehlt«, stellte der Chefinspektor fest.
    »Pulverisiert. Die Überreste sind in der kleinen Schachtel. Aber es gibt ein paar hochinteressante Punkte, die nicht in dem vorläufigen Bericht stehen. Kommen Sie, ich zeige sie Ihnen, wenn Sie wollen.«
    Arkadi trat zögernd zwei Schritte vor.
    »Wie Sie sehen«, begann Lewin, »ist der erste Mann grobknochig und muskulös gewesen. Der zweite Mann weist einen leichteren Körperbau und einen alten Splitterbruch des linken Schienbeins auf. Höchst interessant.«
    Lewin griff nach einem abgeschnittenen Haarbüschel. »Der zweite Mann hat sich die Haare gefärbt. Von Natur aus war er rothaarig. Das steht alles im abschließenden Bericht.«
    »Auf den wir gespannt warten.« Arkadi nickte dankend und ging.
     
    Das Ballistiklabor war in einem Raum untergebracht, der zum größten Teil von einem vier Meter langen Wassertank eingenommen wurde. Arkadi gab die Kugeln zur Untersuchung ab und betrat das forensische Zentrallabor, einen fast saalartigen Raum mit Parkettboden, Marmortischen, grünen Wandtafeln und altertümlichen Stehaschern, die von gußeisernen Nymphen hochgehalten wurden. Die Kleidungsstücke der drei Ermordeten wurden an Einzeltischen untersucht. Leiter des Labors war der Milizoberst Ljudin, ein Mittvierziger mit pomadeglänzendem Haar und rosigen Patschhändchen.
    »Außer Blut haben wir bisher nicht viel gefunden«, verkündete Ljudin lächelnd. Die Labortechniker sahen kaum auf, als der Chefinspektor hereinkam. Einer von Ljudins Männern saugte die Taschen der Kleidungsstücke aus; ein anderer säuberte die Schlittschuhe. Hinter ihnen stand ein ganzes Wandregal mit Gläsern voller bonbonbunter Reagenzien.
    »Woher stammen die Kleidungsstücke?« erkundigte Arkadi sich.
    Er wünschte sich ausländische Qualitätsware, die darauf hätte schließen lassen, dass die drei Toten Schwarzhändler gewesen waren und somit in den Zuständigkeitsbereich des KGB fielen.
    »Hier!« Ljudin zeigte auf ein Etikett in
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