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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
Autoren: Alfred Bekker
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zu können. Wir waren Honyrr gefolgt, einem der Frostgötter, der seine Gestalt verändern kann. Uns war er als Wolf erschienen, und er war schwer verwundet, sodass wir glaubten, ihn erlegen und damit Morygors Streitmacht entscheidend schwächen zu können. Aber meine Kraft reichte nicht, Gorian. Sie reichte vielleicht, um einen verwundeten Frostgott zu töten, aber nicht, um Morygors Aura zu widerstehen. Ich spürte die Verwandlung, spürte, wie die Kälte jeden Winkel meiner Seele erfasste und ich allmählich innerlich starb, ohne überhaupt einen Gegner gesehen zu haben, geschweige denn ihm gegenüberzustehen.« Thondaril sprach nicht weiter. Es schien ihm einfach zu schwerzufallen. Und er wich Gorians Blick aus.
    »Erzählt auch den Rest, Thondaril«, forderte Yvaan. »Zur eigenen Schwäche zu stehen ist die wahre Stärke.«
    »Ein Axiom …«, murmelte Thondaril.
    »Der Erste Meister hat uns ein Beispiel darin gegeben. Gorian muss alles wissen. Ich glaube kaum, dass Euch Euer Schüler deswegen weniger achten wird.«
    Thondaril sah auf, blickte Gorian direkt an und sagte: »Dein Vater musste mich bewusstlos schlagen, um zu verhindern, dass ich ein Geschöpf Morygors wurde. Ich spürte die Veränderung zwar, aber ich wollte es nicht wahrhaben und nicht umkehren. Wenn ich gesagt habe, dass er mir das Leben gerettet hat, dann ist das noch viel zu wenig.«
    Es herrschte einige Augenblicke lang Schweigen.
    Schließlich meldete sich Sheera zu Wort. »Eure Erfahrung könnte für uns alle wertvoll sein, wenn wir zum Speerstein aufbrechen«, meinte sie. »Denn zweifellos ist niemand besser dazu geeignet, uns zu sagen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Sache aufzugeben, als Ihr.«
    Thondaril lächelte. »Und zweifellos wird derjenige, der am wenigsten darauf hört, Gorian sein. Aber vielleicht habt ihr alle recht, und wir sollten es wagen.«
    »Vorausgesetzt, jemand überredet Centros Bal, uns zumindest so weit ins Frostreich zu fliegen, dass wir nicht monatelang bis zum Speerstein unterwegs sind«, gab Gorian zu bedenken.
    »Das wird nicht allzu schwer werden«, glaubte Thondaril. »Er kann keine Bernsteinflüge mehr zu den Mittlinger Inseln unternehmen und wird daher das Silber des Ordens für eine solche Passage gerne annehmen …«
    Als Thondaril den Raum verlassen hatte, um Centros Bal aufzusuchen, wandte sich Torbas an Gorian. »Hättest du gedacht, dass sich Meister Thondaril mal als Zauderer und Bedenkenträger zeigen würde? Ausgerechnet er, der beim Anblick heranpreschender orxanischer Wollnashornreiter so was sagt wie: Tritt zur Seite, Bürschchen, damit du nichts abbekommst! Ich brauche deine Hilfe nicht!«
    »Daran solltest du ermessen, welches Grauen euch bevorsteht, Schüler«, sagte Meister Yvaan, noch bevor Gorian eine Antwort geben konnte.

24
     
    Speerstein-Pilger
     
    Gorian blickte durch das Fenster der Greifen-Gondel auf eine endlose Eislandschaft. Trecks von Flüchtlingen zogen nach Süden, und in der Ferne kreisten Schwärme von Eiskrähen am Himmel. Es gab mehr als genug Beute für Morygors kleine Spione.
    Dann folgten endlose menschenleere, verschneite Weiten. Für Centros Bal war die Orientierung schwierig, denn Städte und Flüsse, die ihm auf seinen bisherigen Flügen stets als markante Orientierungspunkte gedient hatten, waren oft genug derart unter Schnee und Eis bedeckt, dass sie allenfalls noch zu erahnen waren. Selbst der Verlauf der Küste bot keine verlässlichen Anhaltspunkte mehr, denn nicht nur die Mittlinger See, sondern auch ein beträchtlicher Teil des Meeres von Ost-Erdenrund war längst vereist. Die thisilische Bucht war nicht mehr zu erkennen. Ein Turm ragte irgendwo aus dem weißen Nichts, und Gorian vermutete, dass es sich um das letzte sichtbare Gebäude der Stadt Thisrig handelte, wo der Herzog von Thisilien residiert hatte. Aber wirklich sicher war er da nicht.
    Das Meer zwischen Thisrig und den Küsten von Torheim und Orxanien war eine einzige weiße Kältewüste. Schneeverwehungen wanderten langsam mit dem Wind dahin wie ehedem die Sanddünen an der Küste nördlich von Thisia. Und immer wieder waren Leviathane zu sehen, begleitet von unzähligen Wollnashornreitern, die wohl in den Bäuchen dieser riesenhaften Würmer keinen Platz mehr gefunden hatten.
    »Wer soll sich diesem Heerzug des Grauens entgegenstellen?«, fragte Sheera. »Der Kaiser hat sich nach Arabur zurückgezogen und wird auch dort kaum bleiben können, wenn die Leviathane weiterhin so schnell
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