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Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Titel: Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)
Autoren: Edgar Keiser
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dort unten würde heute niemand mehr das Kino lebend verlassen.
    Tom hatte den Hauptfilm schon längst eingelegt, und genau um 20:30 Uhr begannen die Spulen sich zu drehen. Die Leinwand wurde ausgefüllt von dem freundlichen Gesicht eines Mannes in den mittleren Jahren.
    Tom erkannte ihn sofort.
    Es war Evander Ilborn.
    „Guten Abend, meine Damen und Herren“, begann der nette Herr seine Einleitung. „Ich darf Sie zu einem Film begrüßen, in dem eine der großen Errungenschaften der Menschheit dokumentiert wird: die Todesstrafe. Der Mensch erhebt sich nicht zuletzt dadurch über das Tier, indem er als einziges Lebewesen der Erde Artgenossen zur Bestrafung tötet. So, wie er etwa Vieh schlachtet oder ein lästiges Insekt zertritt. Die Todesstrafe ist endgültig. Es besteht keine Möglichkeit der Wiedergutmachung, jedenfalls nicht in dieser Welt. Sie bekommen nun die letzten Augenblicke im Leben eines Mannes aus der Todeszelle zu sehen. Lassen Sie sich nun in eine Welt entführen, in der Gnade und Barmherzigkeit keinen Platz haben.“
    Tom war tief beeindruckt.
    Evander Ilborn verschwand von der Leinwand, wobei es fast schien, als würde er aus ihr herausgehen. Im Kino war es totenstill. Kein Husten oder Rascheln mit Popkorntüten (was normalerweise in jedes Kino gehörte). Stattdessen blickten sämtliche Augenpaare wie gebannt in das Gesicht von Duane Mendoza , der in diesem Augenblick auf der Bildfläche erschien.
    „Na, Tom, wie hat dir mein kleiner Vortrag gefallen?“
    Tom wirbelte herum und wäre vor Schreck fast vom Stuhl gefallen. Evander Ilborn stand vor ihm und lächelte ihm freundlich zu.
    „Äh ... wie kommen Sie hier herein?“, stotterte Tom überflüssigerweise, da es für Evander Ilborn offensichtlich niemals verschlossene Türen gab, und Ilborn überhörte die Frage. Auf der Leinwand nahm Mendoza gerade Platz.
    „Gleich ist es soweit“, sagte Mr. Ilborn. „Ich sehe, du hast alles ordnungsgemäß angeschlossen. Hast du dich schon einmal gefragt, warum ich all diese Dinge tue?“
    Tom musste zugeben, dass dies noch nicht der Fall gewesen war.
    „Siehst du, Tom“, fuhr der mittlerweile gar nicht mehr so fremde Fremde fort, „ich habe ich mich dazu entschlossen, diese Stadt auszuradieren. Einfach so. Du hilfst mir dabei, und deshalb sind wir uns so ähnlich, du und ich.“
    Die Leinwand zeigte gerade, wie Mendoza festgeschnallt wurde.
    Tom, der Ilborn nicht mehr in die Augen sehen mochte, sah auf seine Füße auf dem Fußboden und betrachtete dabei die etwas seltsam geformten Schuhe, die eigens für ihn angefertigt worden waren.
    Wann war das überhaupt gewesen? Und warum trug er eigentlich solche Schuhe?
    Tom erinnerte sich, dass Mr. Ilborn bei seinem ersten Besuch ähnliche Schuhe getragen hatte. Von der Form her könnten da ja sogar Hufe hineinpassen.
    Warum? Warum? Warum?
    Jesus Christus, warum ?
    In seinem Kopf drehte sich auf einmal alles. Er fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen. Erinnerungsfetzen wirbelten durch seinen Kopf, wobei er sich nicht sicher war, dass er auch derjenige war, dem diese Erinnerungen gehörten. Er sah nach draußen durch das Fenster und registrierte nebenbei, dass die Leuchtreklame, auf die er immer so stolz gewesen war, auf WILLIAM’S KINO hinwies.
    Aber er hatte es doch gekauft, dieses verdammte Kino, damals, vor vier Jahren.
    Oder nicht? Da draußen stand doch schon seit vier Jahren FULLER’S Kino auf dem Schild! Oder nicht?
    Warum hatte er plötzlich Zweifel?
    Einer Ohnmacht nahe sah Tom in wirren Erinnerungsfetzen den Elektriker Tom Fuller , der vor vier Jahren bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen war. Seine Frau Joan war vor ein paar Tagen an einem elektrischen Schlag gestorben, ohne dass es bis jetzt jemand bemerkt hatte. Reales vermischte sich in Toms Erinnerung mit Szenen, die nicht sein durften, doch er konnte beides nicht mehr auseinanderhalten.
    Er erinnerte sich an eine Auseinandersetzung mit Sheriff Connor .
    Connor lag jetzt tot in Toms Wohnung, aber was war wirklich passiert? Ihm schien es, als würde seine Persönlichkeit in ein schwarzes Loch gesaugt werden. Zitternd nahm Tom aus dem Augenwinkel war, dass auf der Leinwand ein Geistlicher sich um den Verurteilten bemühte. Warum sah er plötzlich all diese Dinge?
    Evander Ilborn, der schweigend dagestanden hatte, klärte ihn auf.
    „Normalerweise wärst du seit vier Jahren tot. Genaugenommen bist du es auch. Ich hatte mir damals erlaubt, mich ein wenig
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