Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GONE Verloren

GONE Verloren

Titel: GONE Verloren
Autoren: Michael Grant
Vom Netzwerk:
war eigenartig. Richtig gespenstisch. Der schäbige Läufer unter ihm schien so normal: ein zerschlissenes orientalisches Muster, ausgefranste Ränder, ein paar Krümel und eine tote Schabe. Über ihm leuchtete eine Glühbirne, deren schwaches Licht durch das verhängnisvolle Grau zu ihm herunterschimmerte.
    Die in Flammen stehende Wohnung musste die zu seiner Rechten sein. Durch den schmalen Spalt unter der Tür quollen Rauchschwaden. Ihm blieben Sekunden, keine Minuten.
    Er rollte sich auf den Rücken. Der hervorströmende Rauch sah aus wie ein auf den Kopf gestellter Wasserfall, der kaskadenförmig nach oben fiel.
    Er hatte Angst. Und er war wütend – und zwar auf alle. Wo waren die ausgebildeten Feuerwehrleute? Wo waren die Erwachsenen? Wer sagte, dass das hier seine Aufgabe war? Er war viel zu jung dafür. Und warum war sonst keiner so verrückt und so blöd, sich Hals über Kopf in ein brennendes Gebäude zu stürzen?
    Wenn Quinn Recht hatte und Gott dieses Chaos verursacht hatte, dann war er auch auf Gott wütend.
    Aber wenn er in Wirklichkeit selbst an allem schuld war, durfte er nur auf sich wütend sein.
    Sam riss sich zusammen, atmete möglichst viel Luft ein, sprang auf die Beine und warf sich gegen die Tür.
    Nichts geschah.
    Er warf sich noch einmal dagegen.
    Wieder nichts.
    Er musste jetzt dringend Luft holen, musste atmen, doch der Rauch war überall, in seiner Nase, in seinen Augen, er nahm ihm die Sicht. Er versuchte es erneut. Diesmal ging die Tür auf und er fiel mit dem Gesicht voran zu Boden.
    Der in dem Raum gefangene Qualm entlud sich in den Flur, schoss nach draußen wie ein wild gewordener Löwe aus seinem Käfig. Ein paar Sekunden lang war auf Fußbodenhöhe frische Luft. Sam atmete sie gierig ein. Er musste dagegen ankämpfen, sie nicht wieder herauszuhusten. Wenn er das zuließ, würde er sterben, das wusste er.
    Einen Augenblick lang klärte sich auch der Qualm in der Wohnung. Als ginge ein Riss durch einen Wolkenhaufen, der einen Streifen blauen Himmel zeigte.
    Das Mädchen hockte würgend und hustend auf dem Fußboden, es war noch klein, höchstens fünf.
    »Ich bin hier«, presste Sam mühsam hervor.
    Mit seinem vermummten Gesicht, dem Ruß im Haar und den schwarzen Schlieren auf der Haut und seinen Kleidern musste er einen erschreckenden Anblick bieten.
    Wie ein Ungeheuer musste er aussehen. Das war die einzige Erklärung. Denn das ohnehin schon panische Mädchen hob beide Hände, kehrte die Handflächen nach vorne und feuerte eine Ladung reinster Flammenstrahlen auf ihn ab. Flammen, die aus den kleinen Händen schossen!
    Sie verfehlten Sam nur knapp. Die Strahlen zischten an seinem Kopf vorbei und trafen die Wand hinter ihm, wo sie kleben blieben und mit unglaublicher Intensität weiterbrannten.
    Eine Sekunde lang war er vor Verblüffung wie gelähmt, konnte das Kind nur anstarren.
    Das war verrückt.
    Völlig unmöglich.
    Das Mädchen schrie vor Angst und hob erneut die Hände. Dieses Mal würde es ihn nicht verfehlen.
    Dieses Mal würde es ihn töten.
    Ohne nachzudenken, streckte Sam seinen Arm aus. Aus seiner Handfläche schoss ein Lichtblitz, so strahlend hell wie ein explodierender Stern.
    Das Kind fiel auf den Rücken.
    Sam kroch zu ihm. Er zitterte, spürte, wie sich sein Magen verkrampfte, wollte schreien und dachte: Nein, nein, bitte nicht! Es darf nicht tot sein!
    Direkt vor Sam war ein Fenster. Er schlug mit beiden Händen die Scheibe ein. Der vom Feuer zu dieser frischen Sauerstoffquelle gejagte Rauch umhüllte ihn wie ein Strudel.
    Sam tastete im Dunkeln nach dem Kind, fand es und hob es auf. Und dann tauchten wie durch ein Wunder zwei Hände auf und warteten darauf, es entgegenzunehmen. Hände, die sich durch den Qualm streckten und beinahe übernatürlich schienen.
    Sam brach über dem Sims zusammen, sein Oberkörper hing nach unten, und jetzt wurde er gepackt und die Aluminiumleiter hinuntergezerrt. Sein Kopf prallte gegen die Sprossen, aber das machte Sam nichts aus, denn hier draußen war es hell, er bekam Luft und durch den Tränenschleier vor seinen Augen konnte er den blauen Himmel sehen.
    Edilio und ein anderer hievten Sam von der Leiter auf den Gehweg.
    Jemand spritzte ihn mit einem Schlauch ab. Dachten sie, er hätte Feuer gefangen?
    Sam öffnete den Mund und schnappte gierig nach dem kalten Wasser. Es floss über sein Gesicht.
    Doch dann verlor er das Bewusstsein und schwebte auf sanften Wellen davon. Seine Mutter war da. Sie saß neben ihm auf dem Wasser.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher