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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition)
Autoren: Gisela Stelly
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ihr Blick verdüsterte sich.
    Und für Anton, dessen lichtes helles Wesen sonst ihren Blick stets hatte aufleuchten lassen, verdüsterte sich mit einem Schlag die Welt.
    Eines Tages erfuhr Katharina durch einen früheren Geschäftsfreund ihres Mannes vom Aufschwung der Druckerei des Dr. Willinger. Die Partei, so der Geschäftsfreund, der auch der Willinger angehöre, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, ließe sowohl ihre Parteizeitung als auch alle ihre anderen Parteipublikationen bei ihm drucken. Man erzähle sich, so der Geschäftsfreund weiter, die Gelder dafür würde ein naturwissenschaftliches Genie, ein Doktor der Chemie, der Mathematik und der Physik verdienen, der ein Verfahren zur industriellen Herstellung von Gold entwickelt habe.
    Sofort beschloss Katharina, ohne Wissen ihres Mannes, Dr. Willinger in seiner Druckerei aufzusuchen. Sie legte alles, was sie ersparen konnte, für die Reisekasse beiseite, erwog jedoch bald, sich zusätzlich Geld zu leihen, da es andernfalls monatelang dauern würde, bis sie den Betrag für ihre Reise beisammenhätte. Mit dem Verlust der Papierfabrik waren sie arm geworden. Die komfortable Villa hatte verkauft und gegen eine bescheidene Wohnung getauscht werden müssen, Johann arbeitete als Außendienstler für den neuen Besitzer der Bluhm’schen Fabrik.
    Anton begann zu kränkeln. Es war, als würden die Sorgen der Mutter, die das Leuchten aus ihren Augen verdrängt hatten, nicht nur an ihrer, sondern auch an seiner Lebensenergie zehren. Er saß nun oft mit unkindlich ernster Miene mal auf dem Schoß der einen, mal auf dem der anderen Schwester, und jede versuchte, ihn zu erheitern. Darüber gerieten die Schwestern in heftigen Wettbewerb und strapazierten den kleinen Anton mehr mit ihren sich überbietenden Aufmerksamkeiten, als ihn damit zu erfreuen.
    Schließlich wurde Anton ernsthaft krank, er bekam eine Lungenentzündung. Katharina, besessen von dem Willen, diesem Teufel, dem Leibhaftigen, dem ihr Mann da auf den Leim gegangen war, das Familienvermögen wieder zu entreißen, und seit Monaten mit den Vorbereitungen zu ihrer Reise nach München beschäftigt, erschrak zutiefst. Wollte er, der ihnen Hab und Gut genommen hatte, ihnen jetzt auch noch das Liebste, das jüngste Kind, den einzigen Sohn nehmen?
    Sie gab nicht nur ihre Reise, sie gab ihr Vorhaben insgesamt auf, wich nicht von Antons Bett und betete zur Muttergottes. Als sich Antons Zustand dramatisch verschlechterte, gelobte sie, er würde Priester werden, sofern er die Krankheit überleben sollte.
    Und Anton genas. Zum Dank sprach Katharina noch mehr fromme Gebete und lehrte sie auch Anton. Er sprach sie, ihr zuliebe, alle nach, aber sie hinterließen keine so tiefe Wirkung wie ihre Erzählungen vom Goldmacher, diesem Teufel und seinem Teufelswerk. Gegen ihn konnte der liebste Gott der Welt keinen Stich machen. Und den schien er gegenüber diesem Teufel ja auch gar nicht machen zu wollen, nachdem die Wirkung, die der Leibhaftige auf die Mutter ausübte, nicht aufzuheben war: Das Aufleuchten und Strahlen in ihren Augen, das Licht der ersten Jahre, es kehrte nicht wieder zurück. Und irgendwann formte sich in Anton der Wille, es selber zurückzubringen. Das Licht.

2.
    Anders als Anton, der mit seinem Einzug in die Welt alle beglückt hatte, schwächte Franz die noch jugendliche Alexandra bei seiner Geburt bis zur Ohnmacht: Er legte sich quer. Nur dem Geschick der Hebamme war es zu verdanken, dass er auf natürlichem Wege und nicht durch einen Kaiserschnitt zur Welt kam, zwei Monate nach Anton, am 29. September 1924 in München als Erstgeborener von Hubert und Alexandra Münzer.
    »Mei, was für ein schwerer Bub!«, rief die Hebamme erstaunt und erleichtert aus, als sie den Franz endlich in den Händen hielt.
    Alexandra erholte sich in den kommenden Wochen nur langsam von der anstrengenden Geburt und Hubert Münzer schlug seiner jungen Frau schließlich vor, sich zur Genesung auf den Amselhof zurückzuziehen.
    In das Landhaus fuhr er sie dann selbst hinaus und blieb noch zum Tee, der im Wintergarten serviert wurde, dort, wo wenige Tage zuvor Johann Bluhm den verhängnisvollen Kauf von Anteilsscheinen an der Gesellschaft zur industriellen Produktion von Gold gezeichnet hatte. Anschließend fuhr der junge Vater wegen dringender Geschäfte zurück nach München.
    Hubert Münzer war dreißig Jahre alt. Knapp ein Jahr zuvor hatte er die neunzehnjährige Alexandra, die bereits schwanger gewesen war, gegen
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