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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition)
Autoren: Gisela Stelly
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Schule vorerst nicht mehr besuchen und seine Eltern unterrichteten ihn zu Hause. Von seinen Spielgefährten getrennt, entwickelte sich Friedrich notgedrungen zum Einzelgänger. Ersatz für die fehlenden Gefährten fand er in der Beschäftigung mit der Natur in seiner unmittelbaren Umgebung, im Garten und auf den angrenzenden Wiesen und Feldern.
    Der Vater führte seinem Sohn zu Lernzwecken, aber auch zu seinem Zeitvertreib physikalische und chemische Experimente mit allem vor, was sich ums Haus herum finden ließ, und veranschaulichte Friedrich auf diese Weise die in der Natur schlummernden Kräfte, wenn auch nur in bescheidenem Maße. Aber gerade das hatte Friedrichs Vorstellung von dem, was sich tatsächlich in der Natur verbarg, heftig angefacht. Der Vater sprach von diesen Kräften auch als vom Wesen der Dinge.
    Die Mutter wies ihn im Biologieunterricht auf die Ordnung und die Harmonie in Blüten und Gräsern hin, die wie dort in jeder Pflanze herrschen würden, wie groß oder klein sie auch sei, und sie nannte diese Ordnung und Harmonie die Seele der Pflanzen. In Religion und Kunst erfuhr er vom Schöpfer des allumfassenden Gesamtkunstwerks und von den schöpferischen Menschen, die danach strebten, es in ihren Werken abzubilden.
    Dazu fühlte sich Friedrich nicht berufen, aber dafür begabt, wie die Naturwissenschaftler die Bestandteile von Gottes Schöpfung zu verstehen, um sie neu oder anders zusammenzusetzen.
    Als die Tuberkulose geheilt war und er wieder die Schule besuchen durfte, glänzte er in allen Fächern, in denen ihn seine Eltern unterrichtet hatten. Im ersten regulären Zeugnis, das er erhielt, lagen seine Noten so weit über dem Durchschnitt, dass ihn sein Klassenlehrer für ein Begabtenstipendium vorschlug. Das Gremium, bestehend aus dem Schuldirektor und dem Pfarrer, gewährte es ihm und empfahl ihn für das Gymnasium in Augsburg.
    Ein paar Jahre darauf gelang ihm das Abitur insgesamt gut, herausragend wurden jedoch die naturwissenschaftlichen Fächer benotet. Neben der Note sehr gut in Chemie, Physik und Mathematik stand im Zeugnis der Vermerk, diese Benotung wäre seinen Leistungen nicht angemessen, sie würden weit darüberliegen und mit summa cum laude zu bewerten sein, was auf einem Gymnasium jedoch nicht üblich wäre. Bei der Wahl des Studiums nun mochte Friedrich sich für keins der naturwissenschaftlichen Fächer, in denen er brilliert hatte, allein entscheiden, und so studierte er an der Münchner Universität sowohl Mathematik als auch Physik und Chemie.
    Schnell wurde dort unter seinen Kommilitonen seine herausragende Begabung bekannt. Sie bewunderten ihn, beneideten ihn vielleicht auch heimlich, schien er doch mühelos alle Prüfungen zu bestehen, ja, er stellte hin und wieder den Professoren oder Dozenten Fragen, die diese nicht zu beantworten wussten. Dann lächelte er freundlich, lachte manchmal sogar kurz auf vor Vergnügen über die erstaunten Gesichter, wenn er seine Fragen selber beantwortete.
    Obwohl er sich nie überlegen gezeigt hatte und immer hilfsbereit, so war er doch nicht wirklich beliebt und blieb als Student wie schon als Kind und später als auswärtiger Gymnasiast in Augsburg ein Einzelgänger. Er trat keiner der schlagenden Verbindungen bei, und auch das Biertrinken gehörte nicht zu seiner Lieblingsbeschäftigung.
    Allein diese beiden Enthaltungen hatten auf seine Kommilitonen gewirkt wie früher die Tuberkulose auf seine Freunde und Mitschüler, sie mieden ihn, waren misstrauisch, beobachteten ihn, wurden schließlich ob seiner schnellen Fortschritte bald neidisch und missgünstig, dann offen feindlich. Ob der Friedrich Tausch vielleicht ein Täuscher sei, hatte er einmal jemanden fragen gehört. Ja, wahrscheinlich ist er nur ein Täuscher, hörte er einen anderen antworten, und er hörte, wie mehrere seinen Nachnamen Tausch in Täuscher verwandelten. »Ja mei, ja so was!« Er hatte sich umgedreht und in ein verächtlich blickendes Gesicht gesehen.
    Friedrich hatte promoviert, als von den Siegern des Krieges die unerhörte Summe von 269 Milliarden Goldmark Reparation gefordert wurde. Sie sollten in zweiundvierzig Jahresraten gezahlt werden.
    »Ein Berg aus purem Gold von knapp hunderttausend Tonnen Gewicht lastet auf unserem Land«, rechnete der Vater bei einem seiner Besuche aus und schloss daraus, dass der Goldberg das Land endgültig und für immer und ewig niederdrücken müsse.
    Friedrich hatte lange darüber nachgedacht, dann Bücher gewälzt und sich
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