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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition)
Autoren: Gisela Stelly
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Wiedergeburt.
    Der kleine Franz musste sich bald an die Gegenwart wenn auch unsichtbarer, so doch fast täglicher Wunder gewöhnen. Als jedoch einmal eine Dame zu Besuch kam, von der die Mutter behauptete, sie könne Gedanken lesen, lief er aus dem Haus und durch die Gartenpforte zu dem Freund nebenan. Auch erschreckte ihn ein Hypnotiseur, der ihm zum Spaß hypnotisierende Bewegungen vormachte. Er rannte schreiend in die Küche, versteckte sich unter dem Herd und war selbst mit Bonbons nicht darunter hervorzulocken. Auch die Köchin und das Hausmädchen waren verschreckt, und sie weigerten sich, der kleinen Gesellschaft, die der Hypnose eines Mediums beiwohnen wollte, Kaffee zu servieren.
    Hubert, dem von der Köchin darüber berichtet wurde, lachte nur, diese harmlosen Vergnügungen wollte er Alexandra nicht verbieten. Er war froh, sie beschäftigt zu wissen, während er sich, wieder angeregt von dem General, nun für Politik interessierte. Auch gegen den Kreis der Freunde Tibets, deren Mitglieder sich einmal im Monat bei Alexandra einfanden, hatte er keine Einwände.
    Eines Tages nun, während eines Vortrags der Freunde Tibets vor größerem Publikum über die Arier und ihre Aufgabe, die Welt zu erlösen, dachte Alexandra voller Sehnsucht an ihre erste Begegnung mit Hubert und wie er sie damals mit seinen Visionen vom Aufbruch in eine neue, eine außerordentliche Zeit gewonnen hatte. Nichts deutete seitdem jedoch darauf hin, dass die schlummernden Übermenschen erwachen und Übermenschliches vollbringen würden. Wieder wurde Alexandra von heftiger Unruhe erfasst, gegen die keines der Mittel, die ihr der Hausarzt verschrieb, half. Und so überwand sie schließlich ihre innere Scheu, suchte eine bekannte Hellseherin auf und stellte ihr zwei Fragen. Ob der Führer, von dem Hubert jetzt immer öfter sprach, das deutsche Volk und auch sie in jene ersehnte Zukunft der Übermenschen führen würde, wollte sie zuerst wissen, und danach, ob ihr ein weiteres Kind versagt bleiben sollte.
    Ohne es zu ahnen, war Alexandra bereits schwanger, und so sagte ihr die bekannte Hellseherin sowohl die Geburt eines zweiten Kindes voraus als auch den Aufstieg eines Führers in einem Zeitalter großer Ereignisse. Beschwingt kehrte Alexandra nach Hause zurück und kündigte gleich ihrem Franzerl ein Geschwisterchen an.
    »Ich will aber kein Geschwisterchen«, meinte Franz zuerst nur trotzig und trat dann zornig einen Ball weg, mit dem er gerade gespielt hatte und der nun prompt in die Scheibe des Vitrinenschranks mit dem Hochzeitsgeschirr flog, einem Geschenk von Alexandras Eltern. Nicht nur das Glas, auch zwei Teetassen zerbrachen. Alexandra schaute sorgenvoll auf ihren Sohn.
    Franz war längst kein schwerer Bub mehr, sondern ein kräftiger Junge mit einem lebhaften Temperament. Von ihr hatte er die dunklen Locken und die blauen Augen geerbt und von Hubert das jetzt schon deutlich geformte energische Kinn. Seine Wut- und Zornesausbrüche betrachtete sie mit wachsender Sorge. Wenig später dann auch sein unkindliches Interesse am Geschäftemachen, als er mithilfe seines gesparten Taschengelds am nahe gelegenen Kiosk neben der Schule die bei den Schülern beliebten neuen Wundertüten aufkaufte, um sie für das Doppelte wieder zu verkaufen, zumindest war das sein Plan gewesen. Der Kioskbesitzer verständigte sie und sprach sein Missfallen über Franzens unkindliche Geschäftemacherei aus. Hubert indes, mittlerweile Bankdirektor, betrachtete seinen Sohn daraufhin wohlgefällig und zwinkerte ihm anerkennend zu. Er war sichtlich stolz auf ihn: Trotz all der Wunder, in die ihn seine Mutter einweihte, trotz Alexandras Schwärmerei für den Goldmacher, die sie auf Franz übertragen hatte, verfügte sein Sohn doch ganz offensichtlich über einen Sinn für Geschäfte, wenn auch erst einmal nur für ein Geschäft mit Wundertüten.

3.
    Obgleich die Produktionsgesellschaft des Generals erfolgreiche Geschäfte mit ihm, dem Goldmacher, abschloss, ahnte Friedrich Tausch lange Zeit nichts davon. Er war Naturwissenschaftler. Ein romantischer Naturwissenschaftler, denn er hatte sich den Naturwissenschaften über die Natur genähert.
    Er war auf dem Land aufgewachsen. Beide Eltern unterrichteten als Lehrer an der Kreisschule einer Kleinstadt in der Nachbarschaft von Augsburg.
    Der Schularzt vermutete bereits in der Grundschule bei Friedrich eine Tuberkulose und stellte ihn unter Beobachtung. Als sich der Verdacht später dann bestätigte, konnte Friedrich die
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