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Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Stammkötter
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kramte eine 50-Cent-Münze aus seiner Hosentasche und warf sie in die Blechbüchse, die auf der Drehorgel stand. Hochwürden lüftete seinen Zylinder und bedankte sich mit einer tiefen Verbeugung. »Ich bin doch auch ein Vertreter der hohen musikalischen Künste. Es ist darum selbstverständlich, dass auch ich mir die wunderbaren Darbietungen von dir und deinen Freunden nicht entgehen lasse.«
    Er wandte sich Kroll zu und hob wieder seinen Zylinder. »Habe die Ehre.«
     
    Paul und Kroll saßen vor der großen Glasscheibe mit Blick auf den Augustusplatz und stocherten in ihren Nudeln.
    »Bist du eigentlich froh, dass ihr jetzt nicht singen müsst, oder eher traurig?«
    »So und so«, antwortete Paul. »Eigentlich ist es schon schade, dass die Osterkonzerte ausfallen, vor allem die Johannespassion. Aber auf der anderen Seite müssen wir jetzt nicht den ganzen Tag proben. Das ist natürlich cool.«
    »Ist schon ein anstrengender Job, ein Thomaner zu sein«, stellte Kroll fest.
    Paul trank einen Schluck Cola light. »Manchmal schon. Vor allem, wenn der ganze Schulkram noch dazukommt. Aber meistens geht’s.«
    »Geht ihr eigentlich alle aufs Gymnasium?«
    »Müssen wir. Aufs Thomasgymi. Direkt gegenüber vom Kasten.«
    »Und wenn einer die Schule nicht schafft?«, wollte Kroll wissen.
    »Dann muss er auch aus dem Chor raus. Ich weiß aber nicht, ob so etwas schon mal vorgekommen ist. Hängenbleiben ist auf jeden Fall nicht so schlimm.«
    »Alles schlaue Burschen«, bemerkte Kroll anerkennend. »Und ihr wohnt alle in diesem Alumnat?«
    Paul nickte, während er die letzten Nudeln auf seine Gabel pickte. »Das ist Pflicht, schon ab der fünften Klasse.«
    »Ist das nicht blöd, so weg von den Eltern zu sein?«
    Paul schob den leeren Teller zur Seite und rührte mit dem langen Löffel den Zucker in seinem Latte macchiato um. »Am Anfang war das schon ein bisschen krass, aber da gewöhnt man sich schnell dran. Es sind ja auch immer nur ein paar Tage in der Woche. Meine Eltern bringen mich montags zur Schule und holen mich Freitag nach dem Singen wieder ab. Meine Mutter besucht mich auch regelmäßig im Kasten. Eigentlich ist das ganz cool so. Eltern haben ja nicht nur Vorteile. Die können auch manchmal ganz schön stressen, vor allem mein Alter.«
    Kroll grinste. »Ihr kommt viel herum in der Welt, lese ich immer in der Zeitung.«
    Pauls Augen strahlten. »Die Tourneen sind das Coolste von allem.« Er hielt inne. »Im Mai wollen wir wieder nach Japan. Das geht doch, oder?«
    »Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird. So eine Salmonellengeschichte sollte nach zwei, vielleicht drei Wochen erledigt sein.«
    Paul stellte beruhigt sein leeres Glas ab. »Kann ich noch einen haben? Ich habe auch eigenes Geld mit.«
    »Ich will nur keinen Ärger mit deinen Eltern kriegen. Aber du bist natürlich mein Gast. Bringst du mir auch noch einen mit?«
    Paul stand auf und ging zu der länglichen Theke. Nach wenigen Minuten kam er mit zwei vollen Gläsern zurück. »Und was machen Sie so bei der Polizei?«
    »Ich bin eigentlich für Mord zuständig, aber mein Chef meinte, ich sollte mir die Sache hier mal ansehen. Es geht ja schließlich um den Thomanerchor, und das nimmt keiner auf die leichte Schulter.«
    Dass Kroll von der Mordkommission war, hatte Paul nachhaltig beeindruckt. »Das ist ja übelst krass, Alter. Mord! Ist das nicht gefährlich?«
    »Manchmal schon ein bisschen«, antwortete Kroll. »Man muss halt gut auf sich und ab und zu auch auf die anderen aufpassen.«
    Paul war immer noch fasziniert. »Dann sind Sie also der beste Mann im Revier, wenn Sie hier ermitteln sollen, obwohl Sie sonst nur Mörder hinter Gitter bringen?«
    »Sagen wir mal, ich hatte gerade Zeit«, blieb Kroll bescheiden. »Wo wir gerade beim Thema sind«, sagte Kroll. »Ich muss dir aber auch ein paar dienstliche Fragen stellen, ist schließlich mein Job.«
    »Kein Problem«, winkte Paul ab. Er war stolz, dass gerade er der Polizei helfen sollte. »Fragen Sie, was Sie wollen.«
    »Wir können leider nicht ausschließen, dass jemand das Wasser in euerm Wasserspender vergiftet und dadurch die Salmonellenerreger bewusst im Chor verteilt hat. Hast du eine Idee, wer so etwas getan haben könnte?«
    »Sicher ein Spinner«, war sich Paul sicher. »Genauso wie die Sache in der Thomaskirche. Wer klaut denn Knochen von Bach? So was ist doch einfach nur krank.«
    »Überleg mal, Paul, ist in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen?«
    »Wie meinen
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