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Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Stammkötter
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den anderen Betten. Überall bot sich das gleiche Bild. Dann rannte er zu Frau Wöllner, der Krankenschwester des Alumnats. Sie benachrichtigte nach einer kurzen Visite den Hausarzt.
    Der Internist, Dr. Klaus Rabenstein, ordnete als Erstes an, dass die gesunden von den erkrankten Kindern sofort räumlich zu trennen waren. Er untersuchte jedes Kind gründlich, redete viel mit seinen jungen Patienten, stellte Fragen, nahm sich Zeit.
    Nach drei Stunden ging er in das Büro der Alumnatsleitung, die ihn schon sorgenvoll erwartete. Der Arzt spannte sie nicht auf die Folter, sondern kam gleich zur Sache. »Ich bin mir sicher, dass es sich bei den Erkrankungen der Jungs um eine Salmonellenvergiftung handelt. Wir müssen natürlich noch die Laboruntersuchungen abwarten, aber ich bin mir wirklich sehr sicher. Die Symptome lassen kaum Zweifel zu.«
    Die Miene von Dr. Callidus, dem Alumnatsleiter, verfinsterte sich in Sekundenschnelle. Er ahnte, dass diese Diagnose nichts Gutes bedeutete. »Was können wir tun?«
    Rabenstein lächelte bitter. »Die Frage ist nicht, was können wir tun, sondern was müssen wir tun. Wir reden hier nicht über einen harmlosen Schnupfen.«
    »Also was müssen wir tun?«
    Der Arzt setzte sich und redete bewusst in einem beruhigenden Tonfall. Was er jetzt sagen musste, würde sein Gegenüber in einen Schockzustand versetzen, das war ihm klar. »Die Jungs, die bereits Symptome aufweisen, müssen sofort ins Krankenhaus. Die gesunden Kinder müssen gründlich untersucht werden und unter Beobachtung bleiben. Auf jeden Fall sollten sie sofort nach Hause. Salmonellen sind eine meldepflichtige Krankheit. Ich muss das Gesundheitsamt informieren. Die werden den ganzen Kasten desinfizieren und untersuchen, ob die Bakterien hier irgendwo im Haus sind.«
    Dr. Rabenstein hatte die Wirkung seiner Worte richtig eingeschätzt. Der Alumnatsleiter befand sich tatsächlich in einer Art Schockzustand. »Großer Gott!«, flüsterte er laut. »Die armen Jungs.« Er ging in seinem Büro auf und ab und schüttelte den Kopf. »Und das kurz vor Ostern. Das ist ja eine Katastrophe!«
    Ihm war klar, dass zum ersten Mal in der 800-jährigen Geschichte des Chores die Auftritte seiner Schützlinge bei den Ostergottesdiensten und den Passionen ausfallen würden. Aber das stand jetzt nicht im Vordergrund. Die Sänger mussten wieder gesund werden, nur das zählte.
    Der Arzt setzte sich auf die Fensterbank. »Da ist noch etwas, was ich gern mit Ihnen besprechen würde.« Dr. Callidus sah ihn interessiert an.
    »Ich habe viel mit den Jungs geredet, einfach nur, um in Erfahrung zu bringen, wie und vor allem wo sie sich infiziert haben könnten. Irgendwie macht das alles nicht wirklich Sinn.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Salmonellen werden häufig durch unsaubere Lebensmittel, zum Beispiel in Großküchen oder Hotels, übertragen.«
    Callidus musste an seinen Durchfall beim letzten Urlaub in Ägypten denken.
    »Aber das würde ich in diesem Falle ausschließen. Die Küche hier im Alumnat hat noch nie Probleme gemacht. Außerdem müssten dann mehr Kinder betroffen sein als nur die 15.«
    »Gibt es denn noch andere Möglichkeiten?«, fragte der Alumnatsleiter.
    Rabenstein führte seine Ausführungen fort. »Durch Ausscheidungen kranker Menschen. Aber auch das würde ich hier definitiv ausschließen. Der Chor hat kein Hygieneproblem. Derartige Infektionen finden ausschließlich in hygienisch fragwürdigem Milieu statt, in Gebieten, in denen eine regelmäßige Reinigung der Sanitäranlagen aus technischen oder sonstigen Gründen nicht möglich ist. Dafür wären es auch einfach zu viele. Es stecken sich nicht 15 Jungs nahezu parallel wegen ungewaschener Hände an. Das ist unwahrscheinlich.«
    Callidus nickte verständnisvoll.
    »Ein weiterer Auslöser könnten die kritischen Lebensmittel, also insbesondere Eier und Geflügel, sein. Hier können wir sofort einen Haken dranmachen. Fünf der kranken Kinder sind Vegetarier und haben weder Eier noch Fleisch gegessen. Die mittlere Inkubationszeit beträgt 20 bis 24 Stunden. Drei der betroffenen Jungs waren Samstagabend bei McDonald’s. Die töten da alles ab, was sich in ihrem Fleisch bewegt, vom Vitamin bis zum Erreger.«
    Dr. Rabenstein wechselte seine Sitzposition. Er setzte sich jetzt auf den Stuhl, der vor Dr. Callidus’ Schreibtisch stand. »Bliebe nur noch abgestandenes Wasser, zum Beispiel in Duschschläuchen. Aber auch das würde ich hier im Alumnat ausschließen. Die Jungs hier duschen
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