Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Stammkötter
Vom Netzwerk:
schon rausgekriegt.«
    Kroll klopfte dem Kollegen auf die Schulter. »Ihr macht das schon!«
     
    Kroll und Reis unterhielten sich noch vor dem Haupteingang der Thomaskirche. Der Staatsanwalt war nachdenklich. »Mir gefällt die ganze Sache nicht, Kroll.«
    Der Kommissar sah ihn fragend an. »Wie meinen Sie das?«
    Es hatte sich schon seit vielen Jahren eingeschliffen, dass Reis die Polizisten duzte, sie aber umgekehrt beim Sie geblieben waren.
    »Was wir hier haben, hat nichts mit Grabschändung zu tun. Grabschänder arbeiten anders: Die besprühen ein Grab mit Farbe oder malen irgendwelche Botschaften drauf. Ich glaube auch nicht, dass wir es mit einem Trophäenjäger zu tun haben. Der hätte doch bestimmt nicht die Hand mitgenommen, sondern den Kopf.«
    »Immerhin war es die rechte Hand«, bemerkte Kroll. »Die Hand, mit der Bach komponiert hat. Das ist doch vielleicht nicht uninteressant für gewisse Kreise.«
    »Kann sein, dass du recht hast. Aber ich habe trotzdem kein gutes Gefühl. Ich glaube, wir können noch gar nicht einschätzen, was hier passiert ist, und vor allem nicht, was noch kommen wird.«
    Kroll nickte zustimmend. Der Staatsanwalt sah auf die Uhr. »Lass uns die Sache im Auge behalten, es ist einfach besser so. Glaub mir, Kroll.«
    »Ich bin bei der Mordkommission«, warf Kroll ein.
    »Ja, ja, ich weiß. Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ihr übernehmen sollt. Beobachte einfach die Angelegenheit.« Der Staatsanwalt grinste. »Zurzeit ist bei euch doch eh nichts los.«
    Kroll musste sich eingestehen, dass sein Vorgesetzter recht hatte. Glücklicherweise hielten sich die Mörder im Moment tatsächlich zurück. »Ich bleibe am Ball«, stimmte Kroll zu.
    Reis verabschiedete sich. »Hoffentlich wirst du nicht doch noch zuständig«, murmelte er im Gehen und hoffte, dass dieses Gedankenspiel ein Gedankenspiel bleiben würde.

Sonntagmittag
    Die Nachricht von der Öffnung des Grabes von Johann Sebastian Bach hatte sich im Alumnat des Thomanerchors und in ganz Leipzig in Windeseile herumgesprochen. Die Sänger hatten sich seit acht Uhr zur Probe für den Gottesdienst eingefunden und erfuhren nun, warum der Einsatz in der Thomaskirche ausfallen musste. Es kursierten die abenteuerlichsten Geschichten: Bachs Skelett wurde geklaut, der alte Küster Merkel sei brutal überfallen worden, die Einrichtung der Kirche sei völlig zerstört. Die Mutmaßungen über die Täter deckten gleichfalls die ganze Palette ab. Von psychisch Gestörten bis zu Al-Qaida gab es zuhauf potenzielle Tatverdächtige.

Montagmorgen
    Wie jeden Morgen während der Schulzeit wurden die Sänger des Thomanerchors um sechs Uhr mit klassischer Musik geweckt, die aus den zahlreichen Lautsprechern ertönte. Eine halbe Stunde später fanden sie sich im großen Frühstücksraum im Erdgeschoss ein. Maximilian Schnell aus der zwölften Klasse hatte an diesem Morgen Dienst. Er war ein hagerer, immer korrekt gekleideter junger Mann, der seinen Seitenscheitel mit viel Wasser und ein wenig Gel auf dem Kopf festbetoniert hatte. Langsam ging er an den Tischen vorbei, um die Anwesenheit der Alumnen zu kontrollieren. Das Stimmengewirr war, wie immer, groß. Die Thomaner stocherten mit ihren Messern in den Nutella-und Marmeladengläsern herum, griffen mit den Fingern nach Wurst oder Käse und stopften die belegten Brötchen hastig in sich hinein. Dazu tranken sie Kaffee, Tee, Kakao oder Milch.
    Es war nicht zu übersehen, dass einige Plätze, es waren genau 15, leer waren. »Weiß jemand, wo die anderen sind?«
    Er erntete nur ein vereinzeltes Achselzucken, soweit sich die Schüler überhaupt für seine Frage interessierten. »Stube Bohnekamp fehlt komplett. Was ist denn da schon wieder los?«, grübelte er vor sich hin, nicht ernsthaft eine Antwort erwartend.
    Er sah sich noch einmal ungläubig im Frühstücksraum um, dann sprintete er die Treppen hoch zu den Schlafsälen im zweiten Obergeschoss.
    Frieder Bohnekamp lag benommen unter seiner Bettdecke. Seine langen, lockigen Haare klebten an Stirn und Wangen fest. Er war leichenblass, sein Atem war flach. Maximilian Schnell ging langsam auf ihn zu. Frieder schlief. Vorsichtig berührte Max seine Schulter. Frieder versuchte, langsam die Augen zu öffnen, die aber wieder zufielen, nachdem sie, halb geöffnet, flimmerten. »Ich bleib heute im Hotel«, flüsterte er undeutlich.
    Maximilian berührte seine feuchte Stirn. Man musste kein Arzt sein, um zu erkennen, dass Frieder hohes Fieber hatte.
    Er ging zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher