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Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Stammkötter
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gerochen. Das Wasser roch auffällig alt, viel modriger, als es unter diesen Bedingungen eigentlich sein dürfte.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber bitte, das ist nur eine Vermutung. Ich konnte natürlich keine labortechnische Untersuchung durchführen.«
    »Das ist klar«, bestätigte ihm der Staatsanwalt. »Was mich mehr interessieren würde: Wie ist der Zustand der Kinder?«
    »Eine Salmonellenvergiftung ist kein lebensbedrohlicher Zustand, zumindest nicht für ein gesundes Kind. Die Symptome sind aber alles andere als Bagatellen. Starker Durchfall und Erbrechen, gepaart mit hohem Fieber. Die Kinder sind, weiß Gott, nicht zu beneiden.«
    Kroll ging in den Flur, in dem sich die Wohnräume der Thomaner befanden. Es war ruhig und menschenleer. Die Türen standen offen. Gleiches galt für einige Kleiderschränke. Offensichtlich hatten die Bewohner fluchtartig ihre Zimmer verlassen. Der Kommissar schlenderte weiter und schaute in die Stuben. Sie waren alle ähnlich ausgestattet. Schreibtische, Stühle, Schränke und Regale. Diverse Poster an den Wänden, von Lady Gaga über Bushido bis zu Metallica. Kroll musste schmunzeln. Die berühmten Sänger schienen sich nicht nur für klassische Musik zu interessieren.
    Kroll hörte die elektronischen Signale eines Computerspiels. Im Zimmer am Ende des Flures saß Paul Holzhund und bediente mit flinken Fingern den Touchscreen seines iPhones. Als er Kroll sah, nickte er ihm kurz zu, konzentrierte sich dann aber wieder auf seinen Bildschirm. Kroll sah ihm über die Schulter.
    »Doodle Jump! Ein tolles Spiel. Das spiele ich auch manchmal im Präsidium.«
    Paul ließ die Finger nicht von der Tastatur. Er sah Kroll nicht an. »Frieders Rekord liegt bei 35.000. Ich bin schon ganz nah dran.«
    Der Kommissar setzte sich auf einen der freien Stühle und wartete, bis ihm ein schnell abfallender Ton signalisierte, dass der Astronaut bei seiner Reise in immer höhere Regionen der Galaxie abgestürzt war. »Hast du einen Moment Zeit für mich?«
    »Klar«, sagte Paul und legte sein iPhone zur Seite. »Sie haben gerade Präsidium gesagt. Dann sind Sie doch bestimmt Bull…, ich meine, von der Polizei.«
    »Ja«, bestätigte Kroll. »Ich soll mir hier die Vorkommnisse der letzten Zeit mal genauer anschauen.«
    Paul fiel erst jetzt auf, dass er, Computerspiel bedingt, die Höflichkeitsformen vergessen hatte, die ihm so mühsam beigebracht worden waren. Er stand auf und gab Kroll die Hand. »Mein Name ist Paul Holzhund.«
    Kroll lächelte. »Wann holen deine Eltern dich denn ab?«
    »Meine Eltern sind beide arbeiten. Vor 15 Uhr schaffen die das nicht. Ist aber auch gut so. Dann kann ich hier noch ein bisschen chillen.«
    »Na dann«, versuchte Kroll, ihn aufzumuntern, »hast du ja noch ein bisschen Zeit. Was trinkt man denn so in deinem Alter? Kaffee oder Cola oder Red Bull?«
    »Wenn wir in die Stadt gehen, trinke ich immer Latte.«
    »Und wo gibt es die beste?«
    »Im ›Vapiano‹. Da gibt es auch super Nudeln mit Pesto. Einfach klasse!«
    Kroll sah auf die Uhr. »Ich habe heute Mittag noch nichts gegessen. Wie sieht’s mit dir aus?«
    Paul musste schmunzeln. »Unsere Küche ist zu. Die hat doch das Gesundheitsamt erst mal dichtgemacht.«
    »Darf ich dich einladen, auf Nudeln und Latte und was du sonst noch willst?«
    »Übelst krass!«, jubelte Paul und sprang auf. »Aber nicht laufen, okay?«
     
    Kroll parkte in der Tiefgarage unter dem Augustusplatz. Sie verließen das Parkhaus durch einen der dosenartigen, runden Ausgänge mit den matten Glasscheiben, die von den Leipzigern nur ›Milchtöpfe‹ genannt wurden.
    Vor dem ›Vapiano‹ stand ein älterer Mann mit rauschendem Vollbart, der heftig die Kurbel einer alten Drehorgel drehte. ›Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt‹, ertönte es aus seinem Instrument. Standesgemäß für sein Gewerbe trug er einen Frack, der sich nicht mehr im allerbesten Zustand befand, und einen Zylinder. Auf dem Leierkasten saß ein ausgestopfter Affe.
    Als er Paul auf sich zukommen sah, lächelte er fröhlich. Man konnte ihm ansehen, dass er sich über das Erscheinen des Thomaners freute. »Hallo, Paul. Welch großes Vergnügen. Ich hoffe, du erfreust dich bester Gesundheit.«
    Paul war anzusehen, dass auch er sich freute, den alten Mann wiederzutreffen. »Das ist Hochwürden«, stellte er den Leierkastenmann Kroll vor. »Hochwürden ist ein großer Fan unseres Chores. Immer, wenn er in Leipzig ist, besucht er alle unsere Konzerte.« Er
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