Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Stammkötter
Vom Netzwerk:
später gebar Harras’ Frau einen kräftigen Sohn. Harras war sich sicher, dass das Kind vom Teufel war, weil seine Frau bei seiner Rückkehr nach Leipzig nicht guter Hoffnung gewesen war. Da ging er zum Teufel und bat ihn um Erlösung. Der Teufel überlegte lange, sagte ihm endlich die Erlösung zu, wenn Harras die folgenden Aufgaben erfüllen würde:
     
    Die Lobpreisung Gottes müsse für immer aufhören
    Die Stimmen der Engel müssten verstummen
    Der Weinberg des Herrn müsse vertrocknen
    Die Reinheit müsse gebrochen werden
    Und der, der abnimmt, müsse Trauer tragen
     
    Erst dann könne er das Kind des Teufels töten und die Schuld sei erlassen.‹
     
    »Wie geht die Geschichte weiter?«, fragte Paul.
    Georg zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht. Hier hört sie auf. Aber fällt dir nichts auf?«
    Paul sah ihn fragend an. »Auffallen? Was soll mir denn auffallen?«
    Georg war enttäuscht, dass Paul seine Begeisterung offensichtlich nicht teilte. »Der Typ, der das Grab aufgebrochen und unser Wasser vergiftet hat, spielt die Sage nach. Das ist doch völlig eindeutig.«
    Paul blickte noch einmal in das Buch und las laut vor. »Die Lobpreisung Gottes muss für immer aufhören.«
    »Das ist doch völlig logo«, unterbrach ihn Georg hastig. »Bach gilt als der Begründer der Kirchenmusik. Wer sonst soll denn für die Lobpreisung Gottes zuständig sein, wenn nicht Bach. Und denke doch daran, wie er alle seine Kompositionen unterschrieben hat: ›SDG, soli deo gloria.‹ Mehr Lobpreisung geht doch gar nicht.«
    Paul war nicht überzeugt. »Man beendet doch nicht die Lobpreisung des Herrn, wenn man Knochen von Bach klaut. Der ist doch schon seit über 250 Jahren tot.«
    Georg empfand Pauls fehlende Einsicht in seine Theorie als nervig. »Das ist doch bildlich gemeint, du Depp. Bach hat mit der rechten Hand seine Kompositionen geschrieben, und wenn die rechte Hand weg ist und er nicht mehr weiterkomponieren kann, dann ist die Lobpreisung eben beendet.«
    »Und wenn jemand noch den Fuß klaut, sind die Wege des Herrn unergründlich«, sagte Paul lakonisch.
    Georg stöhnte. »Lies doch mal die zweite Aufgabe.«
    »Die Stimmen der Engel müssen verstummen.«
    Georg wollte seinen Freund wieder unterbrechen, aber der kam ihm zuvor. »Ich kann mir denken, was du meinst: Die Stimmen der Engel. Das sind wir, die Engelsstimmen. Und durch die Aktion mit den Salmonellen können wir nicht singen, also sind wir verstummt.«
    »Nicht nur das!«, triumphierte Georg. »Zum ersten Mal in der 800-jährigen Geschichte des Chores singen wir nicht zu Ostern.«
    Paul musste zugeben, dass er tatsächlich darüber nachdachte, ob an Georgs Theorie nicht doch etwas dran sein könnte.
    Georg lief einen Halbkreis, ruderte mit den Armen und blieb abrupt vor Paul stehen. »Mensch, Paul. Überleg doch mal. Das ist doch alles kein Zufall! Da steckt mit Sicherheit ein Plan dahinter. Bei uns ist doch noch nie etwas Aufregendes passiert.«
    »Da hast du allerdings recht«, flachste Paul. Dann wurde er nachdenklich.
    »Ich war heute mit dem Kommissar Mittag essen, im Vapi. Der hat mir tatsächlich erzählt, dass die Polizei von einer Vergiftung des Wassers ausgeht.«
    Georg hieb mit der flachen Hand auf die Kirchenbank. »Bingo! Wir müssen der Sache nachgehen.« Er dachte einen Moment nach. »Oder meinst du, wir sollten der Polizei etwas von unserem Verdacht erzählen?«
    »Ausgeschlossen!«, befahl Paul bestimmt. »Die haben den Kroll auf den Fall angesetzt. Das ist ein absoluter Vollprofi. Der beste Mann, den die haben. Der würde uns sicher auslachen.«
    Sie setzten sich in die Kirchenbank. »Was schlägst du jetzt vor?«, fragte Paul.
    Georg hatte sich wieder beruhigt. Er redete langsam und bedächtig. »Ich habe mir schon einige Gedanken gemacht. Die Ereignisse der letzten Tage haben etwas mit unserem Chor zu tun. Das ist eindeutig.« Er nahm das Buch in die Hand. »Die Frau in der Sage hat ein Kind, das nicht von Ritter Harras ist. Es handelt sich also um eine Patchworkfamilie. Wir müssen als Erstes in Erfahrung bringen, welche Kinder bei uns nicht von dem Mann oder Lebensgefährten sind, mit dem die Mutter zurzeit zusammenlebt.«
    »Da fallen mir spontan schon fünf ein«, bemerkte Paul.
    »Wir müssen das ganz genau abchecken. Wir kennen ja auch nicht alle so gut wie unsere Jahrgänge. Das dürfte aber trotzdem nicht schwer sein. Lass uns doch einfach in die Personalakten gucken und erst mal abklären, bei wem der Name des Kindes nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher