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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Weins
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helfen. Er sieht nach draußen. Er sieht mein Fahrrad an, das am Zaun lehnt. Er guckt in den Himmel, mit zusammengekniffenen Augen. Es ist zu kalt zum Fahrradfahren, denkt er.
    Mit Handschuhen geht es, sage ich. Ich schaue Mark an. Es ist wichtig, ich weiß nicht, ob er es mitbekommt. Es ist wichtig, dass er mit mir Fahrrad fährt. Es ist wichtig, dass es so wie früher ist.
    Eigentlich wollte ich noch etwas lesen, sagt Mark.
    Lass uns doch ein bisschen Fahrrad fahren, sage ich. Er guckt mich an. In seinen Augen kann man lesen, dass er zurück in sein Zimmer will. Er will zurück auf sein Bett. Zu seinem Buch. Was liest du denn?, frage ich.
    Ein Buch über Kybernetik, sagt Mark. Von D. H. Pilgrim.
    Fahrrad fahren ist besser, sage ich. Da ist man an der frischen Luft.
    Wo willst du denn hin?, fragt Mark.
    Weiß ich nicht, sage ich. Einfach so rumfahren. Mal gucken, vielleicht bei Tina vorbei oder zu den Wiesen. Ist mir egal.
    Nee, sagt Mark. Ich habe keine Lust. Ich möchte lieber drinnen sein und lesen. Ich gucke ihn an.
    Nee, sagt er.
    Dann nicht, sage ich und drehe mich um, die Treppe runter.
    Er versteht nichts. Ich trete das Gartentor auf. Ich sehe mich nicht nach dem Haus um. Ich sage nicht Tschüs. Meine Mutter ist gerade zurück nach Hause gekommen. Deshalb muss ich dringend mit Mark Fahrrad fahren. Aber das versteht er nicht. Weil er bescheuert ist und immer nur an seine Bücher denkt. Der wird sich noch wundern. Das wird er noch bereuen. Ich nehme mein Fahrrad. Wenn ich tot bin und er auf meiner Beerdigung ist, dann tut es ihm leid.
    Ich stoße Atemwolken aus. Ich verheddere mich in den Pedalen.
     
    107
    Kann ich den Fernseher mit hoch nehmen?, frage ich.
    Meine Mutter sitzt mit einem Buch auf dem Sofa. Sie schaut von ihrem Buch hoch. Man kann hören, wie das Wasser oben in die Wanne plätschert. Es ist Sonntag. Es ist gleich sechs. Ich will mich in die Badewanne legen und Die Waltons gucken. Die Waltons sind meine Lieblingsserie.
    Wie?, fragt meine Mutter. Du lässt dir doch gerade eine Wanne ein.
    Ja, sage ich. Ich stelle den Fernseher aufs Klo, dann kann ich von der Wanne aus gucken. Das habe ich die ganze Zeit so gemacht.
    Sie legt ihr Buch auf den Glastisch, mit dem Rücken nach oben. Sie schaut mich über den Rand ihrer Lesebrille an. Das ist zu gefährlich, sagt sie.
    Wieso denn gefährlich, sage ich. Was soll denn daran gefährlich sein. Ich liege in der Wanne und der Fernseher steht auf dem Klo. Da ist doch nichts gefährlich dran.
    Und wenn der Fernseher umkippt und in die Badewanne fällt?, fragt meine Mutter. Das Klo ist kein Standplatz für einen Fernseher.
    Der Fernseher kann nicht vom Klo in die Badewanne kippen, sage ich. Er kann ja wohl nicht hüpfen, oder?
    Ich ziehe den Stecker aus der Steckdose hinter dem Sofa. Ich schiebe die Antenne zusammen.
    Jonas, sagt meine Mutter. Ich finde das nicht witzig.
    Ich liege in der Wanne. Die Tür zum Badezimmer ist zu. Die Wanne ist bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Der Fernseher läuft. Es gibt eine neue Werbung für Schauma-Shampoo, wo das Kind der Mutter den Kopf wäscht. Das Wasser ist so heiß, dass es sich schon wieder kalt anfühlt. Es ist so heiß, dass ich mich lieber nicht bewege. Mama, brülle ich. Das Wasser schwappt.
    Ja, ruft meine Mutter von unten.
    Komm mal, rufe ich.
    Meine Mutter kommt die Treppe hoch. Sie öffnet die Tür zum Badezimmer.
    Machst du mir ein Brot?, frage ich.
    Nein, sagt meine Mutter. Sie schüttelt den Kopf. Sie schaut den Fernseher an.
    Bitte, sage ich.
    Nein, sagt sie.
    Bittebittebitte, sage ich. Bitte.
    Also wirklich, sagt sie. Was möchtest du denn für eins?
    Leberwurst, sage ich. Bitte.
    Na gut, sagt meine Mutter.
    Ich tauche mit dem Kopf unter. Ich höre durch das Wasser die Anfangsmelodie von den Waltons . Meine Mutter steht unten in der Küche und macht Brote für mich.
     
    108
    Der Weg ist mit Blättern bedeckt. Die Blätter sind braun und glänzen im Licht, das vom Himmel kommt. Ich hebe einen Tannenzapfen auf. Die Tannenzapfen liegen am Wegesrand. Ich bewerfe meine Mutter damit. Meine Mutter geht vor mir auf dem Weg. Ich habe ihren Mantel getroffen. Sie dreht sich nicht um zu mir. Sie geht einfach weiter den Weg entlang.
    Der Weg ist am Rand zerfurcht. Da ist einmal ein Auto durchgefahren. Oder ein Traktor. Der Förster ist mit seinem Traktor den Weg entlanggefahren. In den Furchen hat sich Wasser gesammelt. Das Wasser ist gefroren. Ich trete in die Furchen. Ich mag das Geräusch, wenn die Eisschicht
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