Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
jedweder Größe, sogar eine Kuh marschierte brav neben ihrem Aufseher zum Markt.
    Es stank. Nicht nur die Tiere verströmten einen scharfen Geruch. Garbräter dehnten ihre Buden weit in die Gassen jenseits des Marktes aus. In ihren Kesseln kochten seit Stunden Nieren, Herzen, Mägen und andere Innereien, vermischt mit unzähligen Zutaten, deren Herkunft man besser nicht ergründete. Zwielichtiges Volk scharte sich um die Stände, boten sie das Essen doch zu niedrigen Preisen feil. Die Leute drängelten und feilschten, weil auch die wenigen Pfennige für manchen noch zu viel waren, um sich den knurrenden Magen zu stopfen. »Du nichtsnutziges Rabenaas! Gib mir noch eine Kelle Suppe, sonst schlag ich dir deinen Topf vom Feuer!«, erboste sich ein hinkender Mann darüber, dass seine Schale vom Garbräter nicht gut gefüllt worden war.
    »Haub ab, du stinkender Galgenstrick, sonst zieh ich dir die Kelle über den grindigen Schädel!«
    Beleidigt stürzte sich der Hinkende auf den Garbräter, ein anderer Mann suchte die beiden Streithähne auseinanderzureißen, was einen Dritten zum Einschreiten verleitete.
    Widerwillig wich Gunda den Streithähnen auf die andere Straßenseite aus, musste sich dabei bereits gegen einen Pulk Neugieriger stemmen, die von dem Lärm zur Quelle des Aufruhrs angezogen wurden. Wie sehnte Gunda sich in die Ruhe ihres Sudhauses zurück! Dort gab es weder übelriechende Garküchen noch unzufriedene Kundschaft.
    »Worauf wartest du?« Agnes hatte sich bereits einige Schritte von ihr entfernt, bis sie merkte, dass Gunda ihr nicht gefolgt war. Ungeduldig drehte sie sich um.
    »Ich komme schon!« Gunda raffte den Rock und eilte weiter.
    »Pass auf, du alte Pfennigjungfer!«, herrschte eine Frau sie unflätig an. Ohne Absicht war Gunda gegen sie gestoßen. Aus dem Eimer, den sie auf dem Kopf balancierte, schwappte eisiges Wasser heraus.
    »Nimm dich in Acht, frecher Bauerntrampel!« Verärgert funkelte Gunda sie an, strich vorwurfsvoll über den nassen Ärmel ihres dunkelblauen Kleides.
    »Verzeiht vielmals«, lenkte die Frau ein, sobald sie sah, wen sie vor sich hatte. »Ich habe nicht gesehen, wer Ihr seid.«
    Gunda nickte huldvoll und hastete weiter. Agnes studierte bereits das Angebot einer an der Hauswand kauernden Bauersfrau. In einem großen Korb pries sie die letzten Bündel getrockneter Kräuter vom Winter an, daneben fanden sich die ersten zarten Blumen des Frühlings. Auch Bärlauch hatte sie reichlich feilzubieten. Der Geruch stieg Gunda bereits in die Nase, als sie die Alte noch gar nicht erreicht hatte. Angewidert verzog sie das Gesicht.
    »Wir haben es eilig, Kind«, rief sie Agnes zu. »Drüben am Markt warten zwei wichtige Kaufleute auf uns. Von dem Gespräch mit ihnen hängt unser beider weiteres Geschick ab.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Agnes verwundert.
    »Das erkläre ich dir ein anderes Mal«, erwiderte Gunda und zog sie energisch mit sich fort.

4
    N och bevor der Marktplatz in Sicht kam, hörte man das emsige Hämmern und Klopfen auf den Baustellen ringsum. Seit einigen Wochen wurde an den Häusern der reichen Bürger an-, um- und neugebaut. Der Abbruch der Burgen des Deutschen Ordens im letzten Jahr hatte das Land mit Steinen und anderen, sonst sehr seltenen Baumaterialien überschwemmt. Wer es sich leisten konnte, nutzte die Gelegenheit, sein Anwesen prächtig auszugestalten.
    Das stolze Rathaus mit seinem imposanten Stufengiebel und dem zierlichen, hoch in der Dachmitte aufragenden Turm begrenzte den Marktplatz auf der einen, die trutzige Jakobikirche auf der anderen Seite. Dicht an dicht reihten sich auf dem weiten Platz die Verkaufsstände aneinander. In den dunklen Ecken bei den Gassen, in denen sich Tagelöhner, entlaufene Söldner und anderes lichtscheues Gesindel herumtrieb, fanden sich weitere Buden von Garbrätern. Auch sie verbreiteten einen üblen Gestank und waren trotzdem von hungriger Kundschaft umlagert. In großem Abstand dazu fanden sich die Tische mit fangfrischen Fischen aus Alle und Pregel, Fleisch und Geflügel sowie die ersten Bänke mit Brotfladen und allerlei Backwerk. An diese schlossen sich Stände mit Butter, Käse, Schmalz und Eiern an, bevor sich die Gewürzkramer mit ihren duftenden Kostbarkeiten aneinanderreihten. Immer wieder schoben sich Pferche mit aufgeregt flatterndem Federvieh dazwischen. Einzelne Hütejungen mit meckernden Ziegenböcken sowie Bauern mit wohlgemästeten Schweinen mischten sich darunter.
    Auf der anderen Seite des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher