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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein
Autoren: Heidi Rehn
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Mann seines Alters an einer unbedarften Siebzehnjährigen finden? Sein Verhalten entsprach einzig seiner noblen Art. Ein Mann dieses Auftretens stand Bedürftigen bei, ohne sich viel dabei zu denken. Tapfer kämpfte sie gegen die Tränen bitterer Enttäuschung an. Griets ständiges Gerede über die Liebe musste an ihren wirren Gefühlen schuld sein. Mit zittrigen Fingern setzte sie die Kanne ab, sah wieder zu Griet, die noch immer verträumt im Suppenkessel rührte. Die Vorstellung, ebenfalls einmal so verliebt zu sein, befremdete Agnes. Mit ihren siebzehn Jahren fühlte sie sich zu jung für die Liebe.
    Es zischte. Die Flammen um den Kessel züngelten hoch. Griet fluchte. Sie hatte den Löffel halb auf dem Rand des Kessels abgelegt und einige Kräuter in die Suppe gestreut. Offenbar hatte sie nicht nur eine Prise zu viel von den gerebelten Blättern über den Rand gegeben, sondern auch von der fettigen Brühe vom Löffel ins Feuer tropfen lassen. Agnes unterdrückte ein Lachen, als sie das schuldbewusste Gesicht der Magd bemerkte.
    »Ist noch ausreichend Bier in Eurem Fass?«, kam eine dunkle Männerstimme von der Seite. Erschrocken zuckte Agnes zusammen und stieß dabei gegen die Kanne auf dem Tisch. Das kostbare Nass spritzte auf, als sie sie im letzten Moment vor dem Umkippen bewahrte, und benetzte ihre von Sommersprossen übersäten Hände.
    »Verzeiht«, entschuldigte sich der Schwarzbärtige mit einer tiefen Verbeugung. »Ich wollte Euch nicht erschrecken.«
    Behutsam schob er seinen leeren Becher auf den Schanktisch. Das Lächeln, das er Agnes zuwarf, ließ sie den erlittenen Schrecken vergessen.
    »Natürlich, gern«, krächzte sie heiser und schenkte ihm ein. Aus Richtung des Herds war ein Glucksen zu hören. Agnes warf Griet einen wütenden Blick zu, woraufhin sich die Magd belustigt wieder dem Suppenkessel zuwandte.
    Fieberhaft überlegte Agnes, was sie sagen konnte. Zu gern wollte sie noch seiner schönen Stimme lauschen. Dabei wagte sie nicht einmal, ihn direkt anzusehen. Er sollte nicht denken, seine seltsamen Augen verwirrten sie.
    »Euer Bier ist das Beste, was ich seit langem getrunken habe.« Er wischte sich mit dem Handrücken den Schaum aus Mundwinkel und Barthaaren. »Ich komme viel herum. Seit langem habe ich keine so gute Erfrischung genossen. Ein Kompliment an den Brauer!«
    »Die Brauer
in
«, verbesserte Agnes.
    »Oh, eine Frau? Habt Ihr etwa selbst …«
    »Nein, nein«, beeilte sie sich zu versichern. »Ich gebe Euer Lob gern an meine Mutter weiter. Sie steht hinten im Sudhaus.« Verlegen spielten ihre Finger mit den Falten ihres hellen Leinenrocks.
    »Was bin ich für ein Narr! Ich hätte es mir denken können. So ausgewogen versteht nur eine Frau zu würzen. Sicher werdet Ihr Euch gelegentlich ebenfalls an der Zubereitung des Bieres versuchen. Ihr habt gewiss auch ein gutes Gespür für den richtigen Geschmack.«
    »Nein, nein«, wehrte sie ab. »Das habe ich noch nie probiert. So etwas liegt mir nicht.«
    Sie schnappte sich ein Wischtuch und begann den Tisch abzuwischen, um ihn nicht ständig anzuschauen.
    »Schade«, entfuhr ihm. »Was bin ich Euch schuldig?«
    Zu ihrem Bedauern zückte er sofort die lederne Börse. Sie nannte ihm den Preis für zwei Becher Bier. Viel zu schnell zählte er die Münzen auf den Tisch. Dabei stachen ihr die zwei mittleren Finger seiner rechten Hand ins Auge. Sie waren nicht nur steif, sondern seltsam krumm aneinandergezwängt. Geschickt gelang es ihm durch eine Handbewegung, diese Behinderung zu überspielen. Hastig strich sie das Geld ein und verstaute es in der kleinen Holzkiste auf dem Wandbord.
    »Darf ich Euch fragen, warum Ihr trotz des warmen Wetters ein Halstuch tragt? Es kleidet Euch sehr gut. Dennoch frage ich mich, ob Euch nicht wohl ist, liebes Fräulein?«
    Verlegen fasste sie sich wieder an den Hals.
    »Gestattet.« Er neigte den Kopf ein wenig näher zu ihr. Überrascht sog sie den leicht erdigen Geruch ein, der in seiner Kleidung und seinen Haaren hing. »Mir war, als hättet Ihr dort hinten am Hals ein Mal.«
    Er wies mit dem Zeigefinger exakt an die Stelle zwischen Haaransatz und Nacken, wo sie das Mal verbarg.
    »Verzeiht meine Offenheit. Es erinnert mich nur an eine alte Geschichte.«
    Auf einmal hatte er es doch nicht mehr eilig. Geruhsam schloss er die Börse und verstaute sie an seinem Gürtel. Wieder stachen ihr dabei seine Hände ins Auge. Die Haut war hell und gepflegt, selbst die Fingernägel waren ungewöhnlich sauber.
    »Wie
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