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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln
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seinem Herzen?
    Ich höre ein Geräusch und blicke auf. Guy und eine Schar Journalisten haben sich um mich herum versammelt. Ich hatte es nicht einmal bemerkt.
    »Verschwindet«, sage ich mit belegter Stimme. »Lasst mich in Ruhe.«
    »Samantha«, sagt Guy in versöhnlichem Ton. »Ich weiß, du bist verletzt. Tut mir Leid, wenn ich dich gekränkt habe.«
    »Pass auf, sonst knall ich dir noch eine.« Ich wische mir mit dem Handrücken die Tränen ab. »Im Ernst.«
    »Es sieht im Moment vielleicht alles nicht besonders rosig aus.« Guy wirft einen Blick auf den Zettel. »Aber du hast eine fantastische Karriere vor dir.«
    Ich antworte nicht. Meine Schultern sind gebeugt, meine Nase läuft, und meine Haare hängen mir ins Gesicht.
    »Sei vernünftig. Du kannst nicht mehr weiter Klos putzen. Jetzt hält dich hier sowieso nichts mehr.« Guy tritt vor und stellt meine glänzenden Pumps vor mir auf den Tisch. »Komm schon, Partner. Alle warten auf dich.«

26
    Ich bin wie betäubt. Jetzt ist wirklich alles vorbei. Ich sitze in einem Erste-Klasse-Abteil im Zug nach London, zusammen mit den anderen Partnern. Es ist ein Schnellzug. In wenigen Stunden werden wir zurück sein. Ich habe ein neues Paar Seidenstrümpfe an. Bin frisch geschminkt. Habe sogar eine neue, von Hilary hastig improvisierte Presseerklärung abgegeben: »Obwohl ich mich immer voller Zuneigung an meine Freunde in Lower Ebury erinnern werde, gibt es in meinem Leben im Moment nichts Aufregenderes und Wichtigeres als meine neue Karriere bei Carter Spink.«
    Ich habe es sogar einigermaßen überzeugend gesagt. Habe gelächelt, als ich David Elldridge die Hand schüttelte. Es wäre ja immerhin möglich, dass sie dieses Bild drucken anstelle des einen, auf dem ich Guy gerade einen Kinnhaken verpasse. Man weiß ja nie.
    Als der Zug den kleinen Bahnhof verlässt, mache ich einen Moment die Augen zu, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich tue das Richtige. Das sagen alle. Ich nehme einen Schluck Cappuccino, dann noch einen. Wenn ich nur genug Kaffee trinke, werde ich vielleicht wieder lebendig. Vielleicht kommt mir dann nicht mehr alles wie ein Traum vor.
    Eingezwängt in der Ecke mir gegenüber sitzt ein Kameramann, daneben Dominic, der Produzent der Dokumentation. Er trägt eine trendige Sonnenbrille und eine Jeansjacke. Ich kann die Kameralinse förmlich auf mir spüren, wie sie jeder meiner Regungen, jeder Bewegung folgt. Auf die könnte ich im Moment wirklich verzichten.
    »Und so verlässt Samantha Sweeting das Dorf, in dem man sie nur als Haushaltshilfe kannte«, spricht Dominic gerade mit gedämpfter Dokumentarfilmerstimme ins Mikro. »Man fragt sich ... bereut sie ihren Entschluss vielleicht?« Er wirft mir einen fragenden Blick zu.
    »Ich dachte, Sie würden mich nur stumm mit der Kamera begleiten«, fauche ich ihn böse an.
    »Hier, bitte!« Guy klatscht mir einen dicken Stapel Papiere auf den Schoß. »Der Samatron-Deal. Kannst schon mal reinschnuppern.«
    Ich schaue den zentimeterdicken Stapel an. Es gab einmal eine Zeit, da bekam ich bei jedem brandneuen, druckfrischen Vertrag einen Adrenalinstoß. Ich wollte immer die Erste sein, die irgendwelche Ungereimtheiten oder Lücken aufdeckte, die Erste, die etwas infrage stellte. Aber jetzt ist es ganz anders.
    Alle anderen im Abteil arbeiten. Ich blättere lustlos in dem Vertragswerk, versuche, mich ein wenig dafür zu begeistern. jetzt komm schon. Das ist jetzt dein Leben. Sobald du wieder richtig drin bist, macht‘s dir auch wieder Spaß.
    »Vom Kochbuch zum Konkursverfahren«, murmelt Dominic in sein Mikro. »Vom Nudelholz zum Nachlass.«
    Dieser Typ geht mir allmählich gewaltig auf die Nerven.
    Ich versuche, mich wieder auf meinen Vertrag zu konzentrieren. Aber die Worte verschwimmen vor meinen Augen. Ich kann nicht richtig denken. Alles, woran ich denken kann, ist Nathaniel. Ich habe versucht, ihn anzurufen, ihm mehrere SMS geschickt, aber er reagiert nicht. Es scheint ganz so, als ob er nichts mehr von mir wissen will.
    Wie kann einfach alles vorbei sein? Wie kann er mich einfach so verlassen!
    Mir kommen schon wieder die Tränen, und ich blinzle sie wütend weg. Ich darf nicht heulen. Ich bin Seniorpartnerin. Seniorpartner heulen nicht. Um mich wieder in den Griff zu kriegen, schaue ich aus dem Fenster. Wir scheinen langsamer zu werden. Seltsam.
    »Eine Durchsage an alle Fahrgäste ...«, tönt es plötzlich knisternd aus den Lautsprechern. »Dieser Zug ist ab sofort ein Regionalzug, kein Schnellzug
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