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Götterschild

Titel: Götterschild
Autoren: Michael Rothballer
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Hause!«, schrie Belena so laut, dass ihre Stimme sich überschlug. »Zu meiner Tochter!«
    Rai schüttelte den Kopf. »Aber du weißt doch, dass der Seeweg durch den Quasul-Hor noch immer von Megas’ Flotte blockiert wird. Kein Kapitän würde diese Passage wagen. Und auch in den Häfen an der Küste Südantheons werden Schiffe und Mannschaften, bei denen der Verdacht besteht, dass sie aus Andobras kommen, sofort festgesetzt. Die Schiffe, die bei uns anlanden, auch das, auf dem du gerade bist, sind aus irgendwelchen Schmugglerhäfen an der skardischen Küste und sie kehren auch wieder dorthin zurück. Und was machst du, wenn du dort bist? Willst du von da aus zu Fuß nach Hause gehen?«
    »Das ist mir gleich«, zischte Belena. »Irgendwie komme ich schon heim, wenn ich nur erst mal von dieser verfluchten Insel wegkomme.«
    »Und warum hast du dann nicht einfach eine Überfahrt gekauft?«, wollte Rai wissen.
    Sie lachte verächtlich. »Und von welchem Geld sollte ich das bezahlen? Diese abergläubischen Dummköpfe von Seefahrern behaupten, dass eine Frau an Bord Unglück bringt, und deshalb ist eine Überfahrt immer besonders teuer.« Sie fuhr sich verzweifelt durch ihre zerzausten Haare. »Dann muss ich sie eben auf diese Weise zwingen, mich mitzunehmen.«
    »Aber du hättest doch bloß mich oder einen der anderen fragen müssen, wir hätten dir die Überfahrt bezahlt«, entgegnete Rai bestürzt. »Mal davon abgesehen, dass ich immer noch nicht weiß, wie du von der Küste Skardoskoins nach Seewaith kommen willst.«
    »Ha«, spie sie ihm entgegen, »jetzt plötzlich interessieren sich unsere großen Anführer also für mich – dass ich nicht lache! Seit du meine Rache an Arton vereitelt hast, bist du nicht ein einziges Mal zu mir gekommen und hast nach mir gefragt oder deine Hilfe angeboten. Ich bin es leid, irgendjemanden anbetteln zu müssen. Also habe ich beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ich habe lange genug gewartet.« Zur Untermauerung ihrer Worte schwang sie bedrohlich den Enterhaken, doch Rai war glücklicherweise außer Reichweite geblieben.
    Er verzog das Gesicht. Dieser unerwartete Vorwurf traf ihn hart, denn augenblicklich meldete sich sein schlechtes Gewissen zurück.
    »Ja, du hast ja recht«, gab Rai kleinlaut zu. »Ich hätte nach dir sehen müssen. Aber der Wiederaufbau der Stadt hat mich so sehr beschäftigt, dass ich irgendwie für nichts anderes Zeit gefunden habe.« Er ließ den Kopf sinken. Selbst für seine eigenen Ohren hörten sich diese Worte nach einer lahmen Ausrede an.
    »Das ist jetzt auch egal«, erwiderte Belena entschieden. »Ich werde mit diesem Schiff Andobras verlassen, koste es, was es wolle.«
    Angesichts dieses Kampfgeistes konnte Rai nicht umhin, die zornige Seewaitherin bewundernd zu mustern. »Darf ich zu dir hochkommen?«, fragte er und kletterte ein paar weitere Tausprossen empor. »Während ich hier zwischen den Seilen hänge, kann ich nicht vernünftig mit dir reden.«
    »Verschwinde!«, zischte sie und ließ im gleichen Moment die Enterstange nach unten sausen.
    Gerade noch rechtzeitig gelang es Rai, sich zur Seite zu werfen, um dem Schlag zu entgehen. Allerdings verlor er dabei den Halt und konnte sich nur noch mit Mühe an einem der Taue festklammern. Einen schrecklichen Augenblick lang baumelte er nur mit einer Hand gesichert über dem gut zehn Schritt tiefer gelegenen Schiffsdeck. Ein erschrockenes Raunen ging angesichts dieses gefährlichen Manövers durch die stetig wachsende Menge Schaulustiger auf dem Kai.
    Rai drehte sich ein wenig ungelenk herum und klammerte sich mit allen vieren an das Tauwerk. »Bist du verrückt?«, schimpfte er nach oben. »Beinahe wäre ich abgestürzt!«
    »Ich habe dich gewarnt«, antwortete Belena ungerührt, »ich lasse nicht zu, dass mich jemand hier wegholt. Ich bin bereit, alles zu tun, was nötig ist, um meine Tochter wieder zu sehen.«
    »Ich will nur mit dir reden, bei allen Göttern«, grollte Rai. Dann schlug er einen sanfteren Tonfall an: »Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung für dein Problem. Ich kann dich nur noch einmal darauf aufmerksam machen, dass dich dieses Schiff bestenfalls zu einem Schmugglerhafen an der Skardoskoiner Küste bringen wird, selbst wenn wir für dich die Überfahrt bezahlen. Von dort schaffst du es niemals nach Seewaith. Meatril und Targ sitzen ja ebenfalls schon seit einem Jahr auf Andobras fest, obwohl auch sie sicherlich gerne wieder nach Fendland zurückkehren
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