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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Sven Böttcher
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sich nicht bewegte. Aus vieldiskutierter, dennoch ungeklärter Ursache gab es indes offenbar nur fünf Personen, die sich diesen Umstand – kurz vor dem Ende aller Aufzeichnungen – hatten zunutze machen können.
    Hödur griff sich an den Helm. Sein Kopf brummte von der schweren Erschütterung, und in seinem Götterhirn war einiges durcheinandergeraten.
    Wie durch eine Wand hörte er die zehntausendstimmige Frage: «Wer ist das?»
    Da er sich nicht an seinen Namen erinnern konnte, stammelte er einfach das, was ihm aus völlig unerfindlichen Gründen gerade durch den Kopf schoss.
    «Ich bin der Weg … und die Wahrheit … und das Leben … niemand kommt zum Vater … denn durch mich …»
    Er verstummte und runzelte die Stirn. Weshalb hatte er das gesagt?
    Cameron trat kurzentschlossen in die Erscheinung und packte das rechte Schienbein des Helmträgers. Er klatschte in die Hände, stellte fest, dass es nicht besonders effektiv ist, eine Luftspiegelung zu packen, und verschränkte seine Hände behutsam um das transparente Bein.
    «Festhalten!», sagten Erasmus und Gwydiot.
    Diana und Gwenddolau taten, was sie konnten.
    «Wer ist das?», fragten die beiden Frauen.
    Gwydiot zuckte die Achseln. «Ein Gott, schätze ich.»
    «Hödur, wenn mich nicht alles täuscht», sagte Erasmus.
    Der Blinde hörte es. Er war ein Gott. Und er hieß Hödur. Schlagartig kehrte die Erinnerung zurück. Er konnte sich sogar wieder an den Heimweg erinnern.
    Und damit waren sämtliche Südengland-Reiseführer wieder um einen Artikel ärmer, und lange, überflüssige Diskussionen, die es nie gegeben hatte, aber irgendwie doch gegeben hatte, hatte es plötzlich nie gegeben.
    Ein letzter Tropfen fiel in das riesige Fass, an dessen Rand sich die Menschheit klammerte. Nur die Oberflächenspannung hinderte das Wasser noch, sich über die Seiten zu ergießen.
    Hätte der Begriff Zeit noch irgendeine Bedeutung gehabt, wäre es vermutlich fünf Sekunden vor zwölf gewesen.

9
    Hödur trat durch das Steintor, schnupperte, erkannte den vertrauten Geruch seiner Heimat und fuhr sich mit den Händen über Arme und Beine, um den daran haftenden Dreck abzustreifen.
    Die Sterblichen ließen ihn los. Sie stürzten nicht tief. Vor dem Steintor war Hödur ihnen wie ein Riese erschienen, aber jetzt, auf der anderen Seite des Tores, war er nur noch ein etwa zwei Meter zehn großer, sehr kräftiger Krieger. Ein Krieger, der die Sterblichen, die er gar nicht bemerkt hatte, am Tor zurückließ, und nach kurzem Lauschen zügig in die Senke hinunterwanderte, auf ein weit entferntes Knäuel von kostümierten Figuren zu, die einander offensichtlich nicht besonders gut leiden konnten. Der blinde Ase war allerdings nicht der Einzige, der sich auf dieses Schauspiel zubewegte; aus allen Himmelsrichtungen krochen Scharen von winzig wirkenden Gestalten auf die Kämpfenden zu.
    Die Auserwählten sahen sich an.
    Gwydiot war der Erste, der wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
    «Oh», sagte er. «Äh. Ich bin Gwydiot, Magier von Glanwrhydd. Und das», er deutete auf seine unsicher nickende Begleiterin, «ist Gwenddolau. Seid gegrüßt, Fremde … Lords …?»
    «Cameron», sagte Cameron, klemmte sich die allerletzte Craven in den Mundwinkel und brachte sie zum Brennen. «Keine Titel, nur Cameron.»
    «Hocherfreut, Sire», sagte Gwydiot.
    «Diana», sagte Erasmus und deutete auf Diana. «Ich bin Erasmus.» Er hielt dem kleinen Kuttenträger die Rechte hin. Gwydiot ergriff sie zögernd und lächelte verunsichert.
    «Weiß zufällig einer von euch Vögeln, was wir hier sollen?», fragte Cameron.
    «Es aufhalten», sagte Erasmus.
    «Ach, was du nicht sagst. Und wie?»
    «Tja.» Erasmus sah hinunter in die Senke und betrachtete das bunte Keilen. Einzelne Teilnehmer der rabiaten Veranstaltung flogen in hohem Bogen aus dem Getümmel und schossen unmittelbar nach der Landung wieder hinein. Er runzelte nachdenklich die Stirn und ließ einen Blick über die Tempel und Festungen auf den Gebirgskämmen wandern.
    «Vorsicht!», schrie Gwydiot.
    Erasmus drehte sich um und riss Diana um Haaresbreite aus der Flugbahn eines scharfen Gartenmessers. Sirrend bohrte sich die Klinge in einen der zahlreich herumstehenden Obstbäume.
    Die Sterblichen sahen in die Richtung, aus der das Messer gekommen war. Diana und Gwenddolau ächzten im gleichen Augenblick: «Igitt!», Gwydiot und Erasmus verzogen die Gesichter, und Cameron spuckte seitlich aus.
    Vor ihnen stand ein wutschnaubender
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