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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Sven Böttcher
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sich.
    Als er sich wieder der Gruppe zuwandte, hing der Gärtner kopfunter in einem weiter entfernt stehenden, höheren Baum. Sein Zetern war trotzdem deutlicher zu hören als zuvor.
    «Gar nicht übel», sagte Cameron und zertrat die Craven im sorgfältig gepflegten Gras. «Vielleicht sollten wir hier in der Gegend einen Zirkus eröffnen.»
    «Keine schlechte Idee», sagte Erasmus nickend. «Aber vielleicht sollten wir vorher ins Tal gehen und hinter uns bringen, weswegen wir hergekommen sind.»
     
    Odin zielte mit seinem fast zugeschwollenen Auge auf den Kopf des Griechen und schlug ein Loch in die Luft. Zeus ließ den Helmträger an sich vorbeitaumeln und schaffte es zum ersten Mal seit längerer Zeit, den Kopf zu heben und sich umzusehen. Er bemerkte die näher kommenden Götterscharen und drehte sich langsam um die eigene Achse. Sie kamen aus allen Richtungen.
    Poseidon segelte schreiend an ihm vorbei.
    Zeus beachtete ihn nicht. Er drehte sich weiter. Das äußerst ungute Gefühl, es
ein bisschen
zu weit getrieben zu haben, trampelte rücksichtslos in seinen benebelten Götterkopf und richtete sich häuslich ein.
    Und dann entdeckte er die Sterblichen.
    Fünf Gestalten, die nicht hierher gehörten. Die auf ihn und die anderen zukamen.
    Zeus schluckte.
    Trotz seines Zustandes wusste er, weshalb sie hier genauso groß waren wie er. Er wusste, dass ein Gott per definitionem nicht mehr, nicht größer sein konnte als ein Sterblicher, wenn der Sterbliche einfach zum Gott hingehen und ihm an die Nase fassen konnte. Gottesmacht endete, wenn ihr Träger konkret wurde, fassbar, und genau das war geschehen. Mit allen Nervenenden klammerte Zeus sich an seine letzte, winzige Hoffnung: Vielleicht wussten die Würmer das nicht. Und vielleicht konnte er verhindern, dass ihnen jemand davon erzählte.
    Zeus schrie erstickt auf. Odin hatte die Unachtsamkeit seines Kontrahenten genutzt, um ihm an den Hals zu gehen.
    «Hör auf!», krächzte Zeus und deutete auf die Sterblichen.
    Odin ließ dem Finger einen Blick folgen. Sein Auge wurde größer, dann ließ er den Griechenhals los. Im gleichen Augenblick endete der Lärm um die beiden herum schlagartig. Jedenfalls fast. Ares, Poseidon und Thor brauchten ein bisschen länger, um zu begreifen, was geschehen war, und von ihren Gegnern abzulassen.
    Die Griechen und Asen waren umzingelt. Sie standen in einem etwa zwanzig Meter großen Kreis, dessen breiter Rand aus murmelnden Göttern bestand und der auf einer Seite zwei größere Löcher aufwies. Zwischen diesen Löchern standen die fünf Menschen.
    Die versammelten Götter bestimmten eiligst eine Sprecherin, indem sie die Keltin Dana einfach nach vorn schubsten. Zwar versuchte die Urmutter, wieder zurück in die Reihen zu treten, doch diese erwiesen sich als felsenfest geschlossen. Sogar Danas Tochter Brigid und ihre greise Mutter Anu hakten sich bei anderen Göttern ein und verhinderten so, dass Dana sich drückte.
    Die Urmutter schwenkte ihren zornigen Blick von der Verwandtschaft auf die Griechen und Asen. Sie räusperte sich. Dann sagte sie: «Großartig.»
    Zeus lag ein bescheidenes «Danke – Ehre, wem Ehre gebührt!» auf der Zunge, blieb aber zum Glück auch dort, weil Dana rechtzeitig fortfuhr.
    «Eine reife Leistung, ihr Griechen und Asen. Nun seht, was ihr getan habt!» Sie deutete auf die Sterblichen. «Jetzt sind wir alle in den Händen …»
    Zeus fiel ihr endlich lautstark ins Wort. «Aber, aber, Göttin, gemach, das ist doch kein Beinbruch. Wir schmeißen die Krabbler einfach wieder raus, und damit ist die Sache erledigt. Kein Grund zur Panik!»
    Er setzte sein drohendstes Göttergesicht auf und wandte sich an die Sterblichen. Hermes und Heimdall hielten Athene geistesgegenwärtig den Mund zu.
    «Geht!», sagte Zeus und deutete mit gebieterisch erhobenem Arm auf die fünf Menschen. «Hinfort! Verlasst diesen heiligen Ort, und ich will Gnade vor Recht ergehen lassen!»
    Erasmus trat vor. Seine Knie schienen sich unpassenderweise in sehr weichen Pudding verwandelt zu haben.
    «Bist du … Zeus?»
    «Ich bin Zeus!», grollte der Göttervater.
    «Und bist du für diese … Blitze verantwortlich?»
    «Das bin ich, Wurm. Und nun verschwinde, bevor ich dich zerschmettere!»
    «Ruf sie zurück. Lass sie auf genau dem Weg zurückkehren, den sie gegangen sind. So, dass alles auf Erden wieder seine Ordnung hat.»
    «Du
forderst
? Du
forderst
etwas von mir, einem Gott?!»
    «Ja oder nein?»
    «Bah!» Zeus setzte sich in
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