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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman
Autoren: El mir Bourges
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Distanz und vereitelte seine Ungezogenheiten. Einmal, als er ernsthaft seine Meinung in einer politischen Angelegenheit äußerte, setzte sie sich ihrem Vater zu Füßen und sagte: «Also nun, mein Papa, lassen Sie uns ein bisschen von den Staatsgeschäften plaudern, da ich jetzt zehn Jahre alt bin …»
    Worüber der Herzog den ganzen Tag immer wieder losprustete. Dennoch bevorzugte er Otto, dessen ungeschliffenes und zügelloses Naturell diesem kranken Geist imponierten. Der junge Graf erschreckte alle mit seinem angeborenen Hochmut und Ungestüm, das von einer Lappalie entfesselt werden konnte. Er schäumte vor Wut gegen den Himmel, wenn ihm Regen oder Sonne entgegenstanden, und wollte die Uhren zerschmettern, die ihn zu seinen Unterrichtsstunden riefen. Kräftig und geschmeidig, mit grünen Augen, wild wachsendem, krausem rotem Haar, zeigten seine niedrige, gewölbte Stirn, die geweiteten Nasenlöcher und die ausgeprägten Kieferknochen, deren oberer fast den unteren überragte, all seine groben, wilden und leidenschaftlichen Instinkte. Er beschäftigte sich ausschließlich mit Ringkampf, Savate 43 oder Boxen. Er glich einem Hausdämon, dem es Freude machte, Hunde, Küchenjungen, Stallburschen und sogar Weißnäherinnen zu malträtieren – er verachtete Frauen wegen ihrer Kleinmütigkeit und Schwäche.
    Eine jedoch hatte mit ihren kühlen blauen Augen das junge Monstrum gezähmt. Die Belcredi hatte bei ihm ein unbekanntes und tiefes Gefühl ausgelöst. Als sie aus Frankfurt abreisten, war Otto neben sie geschlüpft und auf die Knie gefallen, wobei er seinen Kopf ungestüm in den Röcken der Sängerin hin- und herrollen ließ, und war dann weggerannt. Er träumte noch oft von ihr; die Leidenschaft brannte weiter in seinem Herzen, so sehr, dass er eines Tages seinem Vater gegenüber jene Dame erwähnte, die sie doch mitgebracht hatten, jene, die sang und weiß gekleidet war.
    «Ach, die Belcredi!», meinte der Herzog …
    Und die Überraschung darüber, dass er sie vollkommen vergessen hatte, verschlug ihm die Sprache. Dabei hatte sie ihm gefallen, obwohl ihm kaum Frauen gefielen, und er sah alle Einzelheiten der Audienz in Wendessen vor sich, seine mangelnde Gunst, seine Herablassung, seine vorgebliche Rücksichtslosigkeit. Er erinnerte sich dunkel, dass Giulia in Begleitung von Franz und Augusta Linden gereist war. Warum hatten sie sein Gefolge verlassen? Hätte sie sich nicht wenigstens von ihm verabschieden müssen? Aber eine so berühmte Schauspielerin konnte nicht einfach verschwinden; und da nun sein Eigensinn wieder erwachte, beauftragte Karl von Este den Italiener, herauszufinden, wo sich die Belcredi versteckte. Doch leider wusste Arcangeli das nur zu gut! Er lächelte ironisch, schließlich sah er sie seit einem Monat täglich auf den Champs-Élysées auf und ab fahren. Da er in ihr eine mögliche Rivalin erahnte – denn was tat sie sonst in Paris? – und eine heimliche Intrige fürchtete, mit der sie Zugang zum Herzog erlangen würde, raubte eine heftige Angst dem Günstling beinahe den Atem. Es nützte aber nichts, noch wachsamer zu sein. Der dümmste Zufall konnte Seiner Hoheit jederzeit alles aufdecken; so wie dann tatsächlich eines schönen Morgens die meisten Zeitungen ankündigten, die berühmte Diva Giulia Belcredi aus Budapest werde ihr Debüt im Théâtre Lyrique geben, in einer Rolle von Mozarts «Zauberflöte».
    Der Herzog las die Ankündigung, sprang auf und schickte sofort nach dem Theater, um Giulias Anschrift zu erfahren. Der Italiener hätte diese auch verraten können, hätte sich aber lieber in einen Brunnen gestürzt, und so war es Hildemar, der bei seiner Rückkehr verkündete, Giulia sei im «Grand Hotel» abgestiegen. Der Herzog ließ anspannen und brach eiligst auf … Eine Treppe war zu erklimmen, eine Tür noch; dann stand er vor Giulia.
    «Ach! Mein Gott! Monseigneur …! Euer Hoheit …»
    Denn er hatte eine Besuchskarte abgegeben mit der Aufschrift «Graf von Döllingen», einem der Namen, die er verwendete, um inkognito zu reisen. Er stand einige Augenblicke da, ohne zu antworten. Er betrachtete sie erstaunt in diesem mit recht gewöhnlichem Luxus ausgestatteten Zimmer, in dem goldbesternte Theaterroben achtlos über die Stühle geworfen waren. Giulia erschien ihm jetzt anders, viel schöner als er sie je zuvor gesehen hatte. Sie war barhäuptig, hatte das Haar im Nacken zusammengebunden und trug ein besticktes ecrufarbenes Kleid, ihre Handschuhe und ihr Sonnenschirm
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