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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman
Autoren: El mir Bourges
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Blankenburger Gesellschaft gewesen. Dort hatte er Liebschaften gehabt, sogar ziemlich turbulente, und da ihm deren Grundzüge vertraut waren, bereitete er seinen Angriff strategisch vor; zuerst Seufzer, verstohlene Blicke, halblaute Ausrufe, langes Stehen vor der Angebeteten. Sodann schickte Franz der Italienerin Blumengestecke, um sie später, verärgert, dass sie ihn nicht erhören wollte, mit Blumensträußen zu bombardieren. Emilia verlor kein Wort darüber, sie begnügte sich damit, ihm mit einer herausfordernden und hochmütigen Kälte zu begegnen, in Erwartung einer Schmuckschatulle, die sie ihm alsbald zurücksandte. Er versuchte, sie zu erweichen; sie bat ihn so schroff, seine Besuche einzustellen, dass der verblüffte Graf zurückschreckte und einige Zeit fortblieb.
    Am seltensten zeigten sich jedoch Hans Ulrich und Christiane, die Herzog Karl, zornig über ihre Musik, am dritten Tag nach seinem Eintreffen ans äußerste Ende des Gebäudes verbannt hatte.
    «Im Übrigen werden sie mir dafür dankbar sein», sagte er nachdenklich bei sich.
    In der Tat schienen sie sich selbst genug und den Rest der Welt überhaupt nicht zu benötigen. Ihre Verbundenheit, die, sofern das möglich ist, tiefer als in ihre Herzen reichte, wobei sich unaufhörlich ihre sämtlichen Gefühle, Gedanken und Emotionen vermischten, verschmolz Bruder und Schwester zu einem einzigen Geist, zu einer Seele. Man sah sie im gleichen Augenblick erröten oder erbleichen; Hans Ulrich vernahm Christianes Schritt schon aus unglaublich weiter Entfernung; und wenn einer von beiden abwesend war, irrte der andere wie auf der Suche nach sich selbst umher. Niemand störte ihre langen Tête-à-Têtes, denn die gute Augusta, die eigentlich die Hofdame der jungen Gräfin war, hatte sich anscheinend auf der Reise erkältet. Und so ging ihr Leben in ruhiger und köstlicher Zweisamkeit dahin. Begabt mit wunderschönen Stimmen, die sie auf der Bühne berühmt gemacht hätten, ließen sie nur vom Gesang ab, wenn sie dafür Shakespeares und Goethes Dramen über Desdemona, Cordelia, Ophelia und Gretchen lasen; Christiane vergoss dabei Tränen, so sehr fühlte sie sich als Schwester dieser Heldinnen.
    Auch glich sie jenen sowohl äußerlich wie innerlich: blond, mit allerliebsten und treuherzigen Zügen, vornehm, bescheiden, natürlich und von engelsgleicher Güte, die sie an Ulrich band, weil er hässlich, ohne Anmut und unterwürfig war. Was ihn betraf, so war er von Geburt an erhabenen, jedoch traurigen Sinns, er sprach wenig, verstand sich weder auf Waffen noch auf Pferde und fürchtete seinen Vater derart, dass in dessen Gegenwart jeder Gedanke in ihm erstarb, weshalb er seit frühester Kindheit sein melancholisches Temperament mit Kunst, Literatur und Dichtung genährt hatte. Über alles liebte er Musik, wo er so gut Bescheid wusste, dass er sogar komponieren konnte; er kannte sich aber ebenso gut in Malerei aus und erschloss sich über ausgedehnte Lektüren und sein außergewöhnliches Gedächtnis die tiefsten Schönheiten der Literatur, sodass der Herzog, welcher auf ihn herabsah, über ihn sagte: «Der ist doch nichts als ein Schulfuchs.»
    Trotzdem ließ Seine Hoheit die beiden als Erste herbeirufen. Der arme Mann verging vor Langeweile, stets hingestreckt zwischen seinem Narren und seinen Tieren, und verlangte an drei aufeinanderfolgenden Tagen, dass sein Sohn und seine Tochter ihm Volkslieder aus dem Harz vorsängen, etwa «Das Herz ist ein hübscher Vogel» oder auch «Lasst uns trinken und rauchen» und so weiter. Dabei nickte er mit dem Kopf, trällerte vor sich hin, schnüffelte an seinem Riechdöschen, ließ sich mit Duftwasser einreiben, aß, während er zugleich seinen Bart glättete, eine ganze Sabotiere 42 voll Eis, sagte einen ganzen Vormittag lang gerade mal vier Sätze mit großen Abständen, wobei er schleppend sprach, und fand überhaupt, dass es auf der Welt keinen unglücklicheren Menschen gebe als ihn.
    Schließlich kapselte er sich aus lauter Langeweile weniger ab als nach seiner Ankunft und ließ bald täglich Graf Otto und Claribel kommen. Der Anblick des Mädchens mit ihrem üppigen, gekräuselten und weißblonden Haar erfreute ihn; das Geplapper des Kindes amüsierte ihn ebenso wie ihr Unwille gegenüber Arcangeli, der feierlich die Gunst erbat, ihre Hand zu küssen.
    «Ich möchte nicht, dass Sie sie auch nur in Gedanken küssen», hatte Claribel geantwortet.
    Und so niedlich wie sie sonst war, hielt sie doch den Italiener auf
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